Rostocks Filz steht unter Strom

Der Stadtwerkechef soll mit Preussen-Elektra-Töchtern um das lukrative Geschäft gekungelt haben  ■ Aus Rostock Lisa Steger

Eigentlich war alles klar: Die Energieversorgung, zumeist ein lukratives Geschäft, sollte in Rostock ein kommunales Unternehmen übernehmen. Die Bürgerschaft der Stadt hatte jedenfalls beschlossen, Stadtwerke zu gründen; als ein Querverbundunternehmen, das die RostockerInnen mit Strom, Gas und Fernwärme versorgen sollte.

Den Plänen im Weg stand lediglich der mit dem Einigungvertrag geschlossene Stromvertrag, in dem den großen westdeutschen Energieversorgungsunternehmen das Stromgeschäft in den neuen Ländern zugesichert wird, und gegen den 123 ostdeutsche Kommunen vor dem Verfassungsgericht klagen. Die Städte fordern ihre Eigentumsrechte an den Energieunternehmen zurück, die ihnen von der DDR in den fünfziger Jahren entzogen worden waren.

Doch plötzlich kam in Rostock alles anders: Die Hansestadt zog sich von der Klage zurück. Stattdessen will die Stadt jetzt mit der Preussen- Elektra-Tochter HEVAG, dem ehemaligen regionalen Energiekombinat, über die Stromversorgung verhandeln. Der Stadt würden dann nur 49 Prozent der HEVAG-Aktien gehören. Mathias Raudzius vom Neuen Forum in Rostock behauptet nun, der Filz sei schuld am Rücktritt Rostocks von der Klage. Denn der Wirtschaftssenator der Stadt, Heinz Werner, ist gleichzeitig Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke und Aufsichtsratsmitglied der HEVAG, außerdem Mitlgied der SPD. Und Hans-Jörg Scheliga, der Geschäftsführer der Stadtwerke, ist ebenfalls Sozialdemokrat.

Der Vorwurf, daß Scheliga mit der HEVAG gekungelt und andere Berwerber um das lukrative Stromgeschäft benachteiligt habe, kursiert auch in den Stadtwerken der Hansestädte Hamburg und Bremen, die von der Bürgerschaft als Joint-venture- Partner favorisiert worden waren, sich jetzt aber aus dem Geschäft zurückgezogen haben. „Der wirtschaftliche Erfolg ist fraglich“, verlautete von Günter Czichon, dem Sprecher der Bremer Stadtwerke.

Das Neue Forum wirft Scheliga außerdem mangelnde wirtschaftliche Voraussicht vor: Der Stadtwerkechef hat nämlich für die Gasversorgung einen Vertrag mit der Treuhand unterzeichnet, der vorsieht, daß die Kommune die uralte Spaltanlage für Stadtgas sanieren soll. Die Kosten dafür werden vom Neuen Forum auf zehn bis zwanzig Millionen Mark geschätzt. Dabei hatte die Stadt längst beschlossen, von Stadtgas auf das wesentlich billigere Erdgas umzusteigen. Schon im nächsten Jahr soll jede RostockerIn Erdgas beziehen. Warum er dann noch den Vertrag über die Sanierung der alten Spaltgasanlage unterzeichnet hat, wollte Hans-Jörg Scheliga gegenüber der taz nicht begründen; er gebe keine Interviews mehr.

Fest steht für Scheligas Kritiker, daß die Energieversorgung, im Westen zuverlässiges Standbein kommunaler Finanzplanung, in wenigen Jahren hohe Gewinne abwerfen könnte. Allein beim Stromgeschäft setzen die Stadtwerke in den alten Bundesländern jährlich 22 Milliarden Mark um. Durchschnittlich bringen sie 100 bis 150 Mark pro BewohnerIn ein.

Auch Oberbürgermeister Klaus Kilimann will das nicht bestreiten. „Davon werden wir profitieren“, hofft er — allerdings erst später. Der Vertrag zwischen Stadtwerken und HEVAG habe nämlich eine Öffnungsklausel, nach der sich die Stadt in zehn Jahren bei der HEVAG wieder einkaufen kann. Kilimanns Kritiker befürchten nur, daß die Stadt dann nicht genügend Geld haben wird. Mehrheitseigner mit 70 Prozent bleibt Rostock damit allein bei der Gas- und Fernwärmeversorgung. Wer die restlichen 30 Prozent dieses Geschäfts bekommt, steht noch nicht fest. Das Rennen um die Aktien wird laut Kilimann voraussichtlich die SCHLESWAG gewinnen — auch sie gehört (zu 55 Prozent) der Preussen-Elektra.