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Hoppla, jetzt kommt Hans

Am Sonntag hätte ein blonder Mime aus dem hohen Norden seinen hundertsten Geburtstag feiern können: Hans Albers  ■ Von Harald Keller

In den glanzvollen Zeiten der legendären UFA war Hans Albers so etwas wie der Sonnengott des deutschen Films. Aufgrund seiner immensen Popularität konnte er es sich sogar erlauben, die Mitwirkung an Durchhaltefilmen und Propagandaveranstaltungen der Nationalsozialisten zu verweigern.

Erst recht nahm es niemand übel, wenn er mal wieder seinen Text nicht gelernt hatte oder betrunken im Studio erschien. Entwaffnend humorvoll und mit forschem Narzißmus machte Albers, der den Cognac aus Wassergläsern zu trinken pflegte, seine Schwächen öffentlich, kürte sich zum „Maharadscha von Whisky-pur“, bezeichnete sich, nach dem Branchenausdruck für die Texttafeln hinter der Kamera als „Negerkönig“ oder auch als „Kaiser von Babelsberg“.

Der Abstinenzler und Produzent Arthur Brauner, der in den fünfziger Jahren unter anderem zwei Hauptmann-Verfilmungen mit Albers realisierte, kommentierte den Alkoholkonsum des Stars: „Er brauchte sein ,Schlückchen‘, um arbeiten zu können. Es wäre völlig sinnlos gewesen, ihm das auszureden. Er wirkte auch nie betrunken. Selbst nach drei, vier Sechsstöckigen war er hundertprozentig präsent, wenn der Ruf ,Kamera ab‘ ertönte.“

Der blonde Mime mit den blauen Augen machte kein Geheimnis aus der Antwort auf die Frage, warum man ihm nie anmerkte, wenn er betrunken war: „Ganz einfach — man muß, auch wenn man nüchtern ist, immer so tun, als hätte man einen sitzen. Prost!“

Dieses übermütige oder sogar euphorische, eben alkoholisch stimulierte Auftreten war es wohl, das den 1891 in Hamburg als jüngstes von sechs Kindern geborenen Schauspieler in den dreißiger und vierziger Jahren zum absoluten Publikumsliebling werden ließ.

Dabei war Albers, der sich von der Güstrower Provinzbühne bis zum Film hochgedient hatte, zunächst nicht weiter aufgefallen, als er, noch zu Stummfilmzeiten, sein Kinodebüt gab. Dann aber entdeckte Carl Froelich den Mimen für Die Nacht gehört uns, den ersten abendfüllenden Tonfilm aus deutscher Produktion, und mit seinem Draufgängerhabitus — er ließ sich auch bei gefährlichen Aufnahmen selten doubeln — wurde Albers rasch zum Leinwandidol.

Er spielte den Peer Gynt, Liliom, den Münchhausen, er war, so ein Filmtitel, der Hans in allen Gassen, zunächst als siegesgewohnter Haudegen in etlichen aktionsbetonten Filmen, bald aber auch als Charakterschauspieler etwa in Große Freiheit Nr.7.

Als Verlierer dagegen sah ihn das Publikum ungern — als er in der deutsch-französischen Produktion Fahrendes Volk in einer melodramatischen Rolle zu sehen war, hagelte es, wie Arthur Brauner schrieb, „waschkörbeweise Proteste“.

Doch auch der blonde Hans, der den Wahrheitsgehalt seiner Histörchen gern mit einem unbescheidenen „so wahr ich der liebe Gott bin“ bekräftigte, war nicht unverwüstlich. In den Fünfzigern ging der auf den Beifall des Publikums förmlich versessene Schauspieler wie gewohnt auf Premierentournee durch nunmehr bundesdeutsche Kinos, war auch nach wie vor populär, aber sein Name machte nicht mehr, wie vor dem Krieg, einen Film automatisch zum Kassenrenner.

In der Ära des Wiederaufbaus schlug die Stunde des buchstäblich kleinen Mannes — mit Filmen wie Der Hauptmann von Köpenick, Ein Mann geht durch die Wand oder Der Eiserne Gustav überrundete Heinz Rühmann, der in den UFA-Jahren bei gemeinsamen Filmprojekten wie Der Mann, der Sherlock Holmes war stets in Albers' Schatten gestanden hatte, den blonden Hans in der Gunst des Publikums.

Albers trug den Niedergang mit Fassung und der von ihm gewohnten Selbstironie, auch wenn er noch Scheingefechte lieferte, etwa als man bei dem Film Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (1954) Rühmanns Namen vor dem seinen nennen wollte. Sein bewundernswerter Optimismus ließ ihn auch jetzt nicht im Stich: „Ab 80 pflege ich meine schönsten Filme zu machen“, verkündete der bis ins hohe Alter vitale Teufelskerl, aber der Tod machte ihm einen Strich durch die Rechnung — am 24.Juli 1960 trat Albers endgültig aus dem Rampenlicht.

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