: WEU-Friedenstruppe: Entscheidung vertagt
Voraussetzung für die Entsendung von WEU-Truppen ist ein Waffenstillstand/ Arbeitsgruppe tagt Montag in Bonn ■ Aus Brüssel Michael Bullard
„Das müssen Sie entspannter sehen“, riet man im Brüsseler Nato- Hauptquartier, wo gestern die Botschafter der 16 Mitgliedsländer „aktuelle Probleme“ erörterten. „An uns wurde die Frage noch gar nicht herangetragen, ob wir einer Entsendung von Nato-Einheiten im Rahmen einer WEU-Friedenstruppe nach Jugoslawien zustimmen würden.“ Dies sei auch gar nicht nötig, versicherte der Nato-Sprecher. Denn zwar verfüge die Westeuropäische Union über keine eigenen Truppen. Die einzelnen Mitgliedsländer, die auch alle zum Atlantischen Bündnis gehören, könnten jedoch eine Friedenstruppe aus ihren, nicht der Nato unterstellten Einheiten aufstellen. Konsequenz: Die Frage, ob europäische Friedenstruppen in Jugoslawien eingesetzt werden sollen, sei also ganz allein Sache der Westeuropäischen Union. Und die, so wurde suffisant angemerkt, habe sich auf ihrer Sondersitzung Donnerstag nacht in Den Haag ja zu keinem Beschluß aufraffen können. In der Tat endete der Sitzungsmarathon in der niederländischen Hauptstadt ohne konkrete Ergebnisse. Die dritte Runde der Friedensgespräche mit Vertretern der verfeindeten Republiken und der Bundesregierung wurde vertagt. Eine Fortsetzung mache erst wieder Sinn, erklärte Konferenzleiter Carrington, wenn die Waffen wirklich schweigen.
Auch die Treffen der EG-Außenminister — erst als Mitglieder der Europäischen Politischen Zusammenarbeit und daran anschließend im Rahmen der WEU — brachten wenig Nennenswertes zu Tage. Eingekeilt zwischen den verschiedenen Optionen und die an sie geknüpften Bedingungen einigte man sich erst einmal auf einen der üblichen Kompromisse: Ab Montag soll in Bonn eine Arbeitsgruppe über die Möglichkeiten der WEU beraten, zu einer Konfliktlösung in Jugoslawien beizutragen. Im Mittelpunkt wird dabei die Frage stehen, wie die etwa 500 EG-Beobachter besser eingesetzt und geschützt werden können. Die britische Regierung schlug außerdem vor, Wirtschaftssanktionen besser einzusetzen. Wie wenig sie jedoch von diesen Initiativen halten, machten einzelne EG-Minister gestern deutlich, als sie in den lauter werdenden Ruf nach einer UNO-Aktion einstimmten.
Offensichtlich ist: Die internationale Staatengemeinde fängt an, ungeduldig zu werden mit endlosen Verhandlungen der EG-Außenminister. Als erste forderten nach den ergebnislosen Debatten in Den Haag die kanadische und die australische Regierung eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats. Um diese „Tragödie“ zu beenden, müsse die Weltorganisation endlich aktiv werden. Sie würde auch nicht mit ihrer Regel brechen müssen, sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines ihrer Mitgliedsländer einzumischen. Denn Jugoslawien habe schon längst aufgehört, als Staat zu existieren. Auf dieselbe Idee war zwar bereits vier Tage vorher der jugoslawische Staatschef Mesic gekommen. Sein Brief an das UNO-Hauptquartier sei jedoch nicht von allen Mitgliedern des Staatspräsidiums unterzeichnet worden und insofern juristisch nicht gültig, wiegelte man in der Weltbehörde ab. Inzwischen haben sich jedoch auch die Regierungen in Wien und Bonn der Initiative angeschlossen. Genscher forderte seinen französischen Kollegen und derzeitigen Vorsitzenden des UNO-Sicherheitsrates, Dumas, auf, möglichst bald eine Sondersitzung des Gremiums einzuberufen. Wie die Weltorganisation auf die Krise in Jugoslawien reagieren soll, ist aber auch in New York unklar. Genscher schlug vor, daß der Sicherheitsrat der WEU ein Mandat zur Aufstellung einer Friedenstruppe in dem Vielvölkerstaat gibt. Erfolgversprechender scheint jedoch die Alternative: Die UNO schickt selbst Truppen in den Vielvölkerstaat. Denn wie sich in den letzten Monaten und Tagen zeigte, ist die EG außerstande, sich auf ein koordiniertes Vorgehen im Jugoslawienkonflikt zu einigen. Allerdings wird auch eine UNO-Mission keine Wunder bewirken können, solange nicht mindestens zwei Bedingungen erfüllt sind: die Einhaltung des Waffenstillstands und eine Zustimmung aller Betroffenen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen