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Bundestag uneins zu Jugoslawien

■ Bonn für Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zu Jugoslawien

Bonn/Berlin (afp/ap/dpa/taz) — Die Bundesregierung hat sich für eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates zur Jugoslawien-Krise ausgesprochen. Bundesaußenminister Genscher stellte sich gestern in einer Aktuellen Stunde des Bundestages hinter einen entsprechenden Antrag Kanadas und Österreichs. Genscher, der den Fehlschlag der bisherigen Friedensanstrengungen unumwunden einräumte, betonte, weder Europa noch die Welt dürften die fortgesetzte Politik der gewaltsam veränderten Tatsachen durch die jugoslawische Volksarmee akzeptieren.

In einer scharf kontroversen Debatte, die mitunter quer durch Koalition und Opposition verlief, konnte sich der Bundestag auf kein einheitliches Konzept der Jugoslawien-Politik einigen. Offenbar nur schwache Hoffnungen gründeten Regierungspolitiker auf fortgesetzte Bemühungen, über die EG und die WEU wirkungsvoll intervenieren zu können. Für die SPD lehnten der Außenpolitiker Hans Koschnick und Günter Verheugen die WEU-Alternative als völkerrechtswidrig ab. Koschnick beschuldigte die vier Veto-Mächte des Weltsicherheitsrates USA, UdSSR, Frankreich und Großbritannien, ein UNO-Eingreifen zu verzögern. Auch über den fast einhellig und von Genscher erneut „aus verfassungsrechtlichen und historischen Gründen“ abgelehnten deutschen Einsatz in einer WEU-Truppe gab es Auseinandersetzungen.

Skeptisch beurteilte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Dieter Wellershoff, den möglichen Einsatz einer europäischen Friedensgruppe. Einer solchen Truppe stünde eine „diffizile Aufgabe“ bevor, die einer „sehr präzisen Aufgabenbeschreibung“ durch die Politik bedürfe, meinte Wellershoff im Deutschlandfunk.

Die Sozialistische Internationale hat sich gegen die Entsendung einer Friedenstruppe der EG nach Jugoslawien ausgesprochen. Nach einer SI-Präsidiumssitzung sagte der Generalsekretär der Sozialistischen Partei Italiens, Bettino Craxi, gestern in Berlin, es bestehe die Gefahr, daß eine solche „Puffertruppe“ in die Kampfhandlungen verwickelt werde.

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