: Die Nettoauszahlungen sanken um ein Drittel
■ Weltbank-Jahresbericht '91/ Ein Siebtel des Geldes ging in den Ex-Ostblock/ Liste der säumigen Länder wuchs
Berlin (taz) — „Die Kreditvergabe an die Länder Ost- und Mitteleuropas nahm im Geschäftsjahr 1991 deutlich zu,“ schreibt die Weltbank zur Vorstellung ihres neuen Jahresberichts, der heute veröffentlicht wird. „Sie belief sich auf insgesamt 2,9 Milliarden Dollar, verglichen mit 1,8 Milliarden Dollar im vorangegangenen Jahr.“ Damit entfällt mittlerweile fast ein Siebtel der Weltbankaktivitäten auf Europa. Bulgarien und die CSFR sind die ersten neuen Kreditnehmer. Mit dem „nüchternen Erkennen der Übergangsschwierigkeiten“ zur Marktwirtschaft und der „kurzfristig anfallenden Reformkosten“ sei die Euphorie des letzten Jahres jedoch vorbei.
Insgesamt vergab die Weltbank im Geschäftsjahr 1990/91 22,7 Milliarden Dollar — zwei Milliarden Dollar mehr als 1990. 6,3 Milliarden Dollar davon entfielen auf die internationale Entwicklungsorganisation IDA, die sich an besonders arme Staaten der Dritten Welt wendet und Sonderkonditionen gewährt. Für das nächste Jahr wird ein ähnlicher Kredit- und Darlehenszuwachs wie 1991 erwartet. Allerdings ist unter der Expansion keineswegs eine wachsende Großzügigkeit der Weltbank zu verstehen: Die Nettoauszahlungen der Bank und der IDA — also Kredite und Darlehen minus Rückzahlungen — sanken 1991 von 9,3 auf 6,4 Milliarden Dollar.
Insbesondere die Länder mittleren Einkommens — die durch Darlehen finanziert werden — wurden kräftig an die Kandare genommen; die Höhe der ausstehenden Darlehen, gemessen an der Obergrenze der möglichen Darlehen, sank 1991 auf 59 Prozent, nachdem sie 1990 noch 65 Prozent und 1987 sogar 84 Prozent betragen hatte. Die Liste der Länder im Zahlungsrückstand wuchs: zu Liberia, Nicaragua, Panama, Peru, Sierra Leone und Syrien gesellten sich Guatemala und Irak, während Sambia seine Rückstände beglich (und als Ergebnis nun unter akutem Geldmangel leidet).
Die Politik der Weltbank gegenüber der Dritten Welt bleibt nach wie vor von Strukturanpassungsprogrammen bestimmt. Die Ausleihungen in diesem Bereich erhöhten sich 1991 von vier auf 5,7 Milliarden Dollar — ein Viertel der Gesamtzusagen. Die Bank ist vom Erfolg dieser Programme insbesondere in Afrika überzeugt. „Die afrikanischen Länder südlich der Sahara mit niedrigem Einkommen, die im Rahmen des Sonderhilfsprogrammes Strukturanpassungsprogramme vornahmen, erzielten 1990 eine Wachstumsrate von 3,8 Prozent“, schreibt der Bericht. „Das Sozialprodukt derjenigen Länder, die keine Reformen durchführten oder die ihre Reformprogramme aufgegeben haben, ging dagegen 1990 um 2,4 Prozent zurück.“
Das Sonderhilfsprogramm, das den ärmsten Staaten Afrikas die Strukturanpassung ermöglichen soll, tritt dem Bericht zufolge nun in seine „zweite Phase“, in der zusätzlich zu den zwischen 1988 und 1990 bewilligten 17,5 Milliarden Dollar noch einmal 7,4 Milliarden Dollar zwischen 1991 und 1993 bereitgestellt werden, um in den 21 betroffenen Ländern „die Finanzierungslücken zu schließen“. Den 21 Staaten wird empfohlen, in diesem Zeitraum „alle Import- und Devisenkontrollen auslaufen zu lassen“.
Wie bereits 1990 angekündigt, verstärkt die Weltbank gleichzeitig auch ihre Programme zur „Entwicklung der menschlichen Ressourcen“: also „das Erziehungswesen, die Bevölkerungspolitik, das Gesundheitswesen und die Ernährung sowie Probleme im Zusammenhang mit Frauen“. 2,25 Milliarden der im Geschäftsjahr 1991 insgesamt bewilligten 2,9 Milliarden Dollar in diesen Bereichen entfallen auf die Erziehung.
Erzogen hat die Weltbank dabei unter anderen auch sich selbst: Ein „vielschichtiges Personalentwicklungsprogramm“ für die Mitarbeiter der Bank ist im Gange, um diese „mit dem neuesten Stand der Forschungsergebnisse“ bekanntzumachen, heißt es im Jahresbericht. D.J.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen