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Abstimmung über Zukunft der Akademie der Künste

■ Heiner Müller: Ein Gremium soll eine »neue Akademie« konstituieren

Berlin. Der Präsident der Akademie der Künste zu Berlin (Ost), Heiner Müller, will am 10. Oktober auf einer Plenartagung die Mitglieder der Akademie über die Zukunft der Institution, die von der Auflösung bedroht ist, und damit indirekt auch über seine weitere Präsidentschaft abstimmen lassen. Müllers überraschender Vorschlag sieht vor, wie er nach einer Plenartagung vor Journalisten erläuterte, daß alle Mitglieder der Akademie ihre Mitgliedschaft zur Disposition stellen und ein Gremium von je fünf Mitgliedern jeder Sektion wählen, »das eine neue Akademie konstituiert, auch und vor allem durch Zuwahl von jungen Mitgliedern«. Er kündigte an, daß er als Präsident nicht mehr zur Verfügung stehe, wenn sein Vorschlag nicht angenommen werde. Darüber hinaus müsse die Diskussion bis zum 10.Oktober beendet sein.

Im Gegensatz zu vielen anderen sprach sich Stephan Hermlin gegen diesen Vorschlag aus und erinnerte an eine unselige Tradition deutscher Akademien, Mitglieder auszuschließen, worauf Müllers Vorschlag hinauslaufen könnte. Er sei nicht für Prozeduren, »die vielleicht jetzt im Moment logisch und annehmbar erscheinen, über die aber die nächste Generation etwas anders urteilen wird«. Hermlin, der auch Mitglied der Westberliner Akademie ist, fügte hinzu: »Ich bin also etwas über unseren guten Ruf besorgt.«

Er verwies auf das jüngere Alter von Müller, der 1933 erst vier Jahre alt gewesen sei. »Ich habe aber dieses Jahr — und was folgte — noch außerordentlich gut in Erinnerung.« Er sei gegen Maßnahmen, »die uns in Zukunft in irgendeine Nachbarschaft zu solchen Maßnahmen rücken könnten, die 1933 die Preußische Akademie zerstört haben«. Damals hätten sich eine Reihe von Mitgliedern unterworfen, »andere nicht, an der Spitze Heinrich Mann und Käthe Kollwitz«. Er wolle natürlich nicht das Dritte Reich mit der deutschen Demokratie vergleichen, aber auch die Demokratie habe »Schwachstellen«. Hermlin plädierte für ein Weiterbestehen der östlichen Akademie »in enger Nachbarschaft zur Westberliner Akademie«.

Andere Akademiemitglieder sehen in Müllers Vorschlag dagegen einen »gangbaren Weg«, der etwas in Bewegung gebracht habe, auch wenn der Vorschlag für viele »recht überraschend« gekommen sei. Müller sprach vor Journalisten von einer »Zwangslage«, in die die Ost-Akademie durch den Staatsvertragsentwurf zur Auflösung geraten sei und verwies auf »die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen« auf der nächsten Plenartagung, wenn Mitglieder den Vorschlag ablehnen sollten.

Der auf der Tagung am Mittwoch anwesende Berliner Kultursenator Ulrich Roloff-Momin habe den Vorschlag »bedenkenswert« gefunden, wollte sich aber vor der Diskussion unter den Akademie-Mitgliedern noch nicht darüber äußern. Ein Vertreter des brandenburgischen Kultusministeriums sprach auf der Pressekonferenz von einem »Klärungsbedarf« und noch zu führenden Gesprächen unter den betroffenen neuen Ländern. »Man kann eine solche Entscheidung nicht in einem Hauruckverfahren treffen.« Nach Angaben des Rechtsanwalts der Akademie-Ost, Reiner Geulen, werde der Staatsvertrag vorläufig nicht unterzeichnet werden.

Müller unterstrich, daß die Akademie-Ost »ihren Platz in der zunehmend von Medien verblödeten Öffentlichkeit der ehemaligen DDR« habe — einen Platz, den die Westberliner Akademie nicht besetzen kann«. Auch habe sie eine Funktion für die neuen Bundesländer, »soweit sie unsere Dienste in Anspruch nehmen wollen, in dem langwierigen Prozeß der Angleichung von Mentalitäten, die durch verschiedene Systeme geprägt sind«. dpa

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