: Der legendäre „Mösle“-Rasen
Wo im Sommer die Alternativ-Kicker ihre Meister suchten, schied der Freiburger FC im DFB-Pokal aus Vier Tore von Fritz Walter ließen Bundesliga-Spitzenreiter VfB mit 6:1 ins Viertelfinale spazieren ■ Aus Freiburg Ulli Fuchs
Im Freiburger „Grünhof“ sind „die Schnitzel so groß wie die Torwarthandschuhe“ (Herr Thömmes). Wo Fritz, der Wirt, vor Jahren selbst von Meisterkoch Bocuse Lob einheimste, ist es wie überall: Früher war alles besser. An langen Europapokal- Abenden wurde das Lokal zum Hexenkessel. Fritz gab vom Tresen aus den Ton an, bejubelte „seine“ Bayern und beschimpfte aufs derbste die „Dreck-Spätzle-Kicker“ des VfB Stuttgart. Wogegen ständig die Ecke der schwäbischen Studenten mit gemäßigt-gemächlichen „He, he, he“- Rufen rebellierte.
Zwischenzeitlich aber sind die Starschnitte von Breitner und Rummenigge längst von der Wand verschwunden. Bei Fußballspielen kocht der Fritz lieber in der Küche als vor dem Fernsehapparat, und auch das Publikum gibt sich, wie es in Freibug Sitte geworden ist, bei der Jagd nach dem Schweinsleder eher norddeutsch unterkühlt. Allein im Vorfeld des Pokalschlagers des Freiburger Traditionsclubs FFC, der im vergangenen Jahr mal gerade aus der Verbands- in die Oberliga aufgestiegen ist, schien die gute alte Zeit noch einmal kurz aufzuleben.
„Mindestens 15.000 Zuschauer“, vermeldete die lokale Presse, würden zum baden-württembergischen Derby gegen die Spätzle-Kicker des VfB Stuttgart erwartet. Das würde in Freiburg, wo der Lokalrivale Sportclub als Tabellenführer der zweiten Liga im Schnitt gerade 5.000 Zuschauer empfängt, durchaus unter den Begriff Fußballfieber fallen. Nach den Deutschen Meisterschaften der Alternativkicker im Juni also das zweite sportliche Großereignis im altehrwürdigen Freiburger Möslestadion, dessen Sitzplatzkapazität mit einer eigens angekarrten Stahlrohrtribüne erweitert worden war.
Beim frühsommerlichen Alternativ-Treffen warfen die Lokalmatadore vom SEK (Suff Exzess Kommando), obwohl sie am Vorabend ihrem Namen wieder einmal alle Ehre machten, die taz-Betriebself aus Berlin frühzeitig aus dem Rennen. Diesmal blieben die Sensationen aus. Nur 12.500 Beobachter fanden den Weg ins malerisch gelegene „Mösle“, und ihre Hoffnung dauerte nur sechs (0:1, Walter) und dann noch einmal zwanzig Minuten, nachdem die Amateure zum zwischenzeitlichen Ausgleich ( 1:1, Wernet) gekommen waren.
In den fünf Minuten vor der Pause aber konterten die Profis die in Schwung gekommenen FFCler eiskalt aus. Drei Tore im Minutentakt brachten den 1:4-Pausenstand und sorgten dafür, daß der Rest aus höflichen Artigkeiten bestand. Artig versuchten sich die Amateure an einer Resultatsverbesserung, und verhalten artig hielt der große Tabellenführer aus der Bundesliga dagegen, um sich am Schluß mit einem standesgemäßen 6:1 vom freundlich applaudierenden Freiburger Publikum unter die Duschen zu verabschieden.
Auf der Pressekonferenz gab es Komplimente von allen für alle, und der im dunklen Anzug erschienene „Motivationskünstler“ Christoph Daum erwies sich endgültig als der Oberpsychologe unter den Seelenarbeitern der Trainergilde. „Fritz ist einer der besten Stürmer der Liga, deshalb muß man ihm auch den Rücken stärken, wenn er mal nicht trifft.“ Mit diesen Worten hatte Daum vor ein paar Wochen das Umschlagen der Ladehemmung seines kleinen Stürmers mit dem großen Namen in schwere innere Zerwürfnisse schon im Keim erstickt. In Freiburg dankte Fritz Walter die therapeutische Arbeit des Trainers mit vier Treffern, für einen weiteren legte er vor.
Aber nicht nur in der sensiblen Diagnose des Innenlebens seiner Spieler ist Daum ein Meister. Auch in bezug auf die VfB-Fans, die im ruhig gewordenen Stadion mit „Freiburg, Freiburg, ha, ha, ha“-Rufen für einen Wermutstropfen in der Stimmung allgemeiner Freundlichkeit sorgten, zeigte der Mann analytisches Gespür. Nicht als Schmährufe gegen den Amateurverein dürfe man das verstehen, sondern als Ausdruck der Auflösung der inneren Spannung, die als Angst vor der möglichen Niederlage in den Seelen der Fans gewühlt hatte.
Wehmütig erinnerten sich später im „Grünhof“ einige Freiburg-Fans, wie sich vor Jahren ihre innere Spannung in „Toni, Toni, ha, ha, ha“-Rufen entladen hatte, nachdem der Sport-Club im Pokal den 1.FC Köln weggeputzt hatte. In den guten alten Zeiten.
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