: “Meine Mama hat gesagt, Neger stinken“
■ Ausländerhaß konkret: Drei Vegesackerinnen über Anmache, Telefonterror und Drohungen
Ausländerfeindlichkeit als alltägliche ErfahrungFoto: Falk Heller
Nach nicht ausgewiesenen „Umfrageergebnissen“ soll der Stimmmenanteil der Rechtsradikalen in Bremen noch steigen. Einziges Wahlkampfthema von Reps und DVU war die Hetze gegen Ausländer und Asylbewerber. Für die 24jährige Judith Glißmeyer aus Vegesack ist Ausländerhaß keine abstrakte politische Parole. Ausländerhaß ist ein Bestandteil ihres Lebens, der sie bis in ihre Wohnung verfolgt — so sehr sie sich auch dagegen wehrt. Für ihre Nachbarn ist die junge Frau eine „Niggerhure“ und „Schimpansenmutter“, seit sie vor zehn Monaten einen Sohn von
einem schwarzen Amerikaner bekam.
Schon während der Schwangerschaft ging es los. Als der Gynäkologe, der die Schwangerschaft feststellte, erfuhr, daß der Vater ein Scharzer ist, legte er Judith einen Abbruch nahe. In der Entbindungsklinik nahmen andere Frauen aufdringlich Anteil an dem kleinen „Negerkind“. Bei der Abschlußuntersuchung vermerkte der Klinikarzt in den Papieren des Kindes „negroide Gesichtszüge“. Im Kinderuntersuchungsheft notierte der Kinderarzt unter „Sonstige Bemerkungen“, wo sonst Entwicklungsstö
rungen oder Behinderungen eingetragen werden, „dunkles Hautcolorit“.
Eine ältere Frau spuckte den kleinen Maurice in seinem Kinderwagen an, Jugendliche nötigten Mutter und Kind, vorzeitig den Bus nach Hause zu verlassen. „Sie haben mich eingekesselt und 'Niggerhure' zu mir gesagt“. Judith Glißmeyer schüttelt sich noch bei der Erinnerung. Kleine Kinder verkündeten auf dem Spielplatz: „Meine Mama hat gesagt, alle Neger stinken.“ Judith's Freundinnen Melanie Anan und Helene O. könnten die Reihe der Verletzungen und Beleidigungen endlos verlängern.
Beide sind dunkelhäutige Deutsche. Die sieben Monate alte Tochter von Melanie Anan hat einen türkischen Vater. Diskriminierung beim Einkaufen in Geschäften (“Ich glaube nicht, daß wir etwas haben, was zu Ihrer dunklen Haut paßt“), sexuelle Anmmache (“Wenn du mit einem Nigger bumst, kannst du mit mir doch auch mal“) nächtlicher Telefonterror, Morddrohungen....
Sie haben es satt, das alles in sich reinzufressen, obwohl gerade das von ihnen erwartet wird. Die recht offensive Melanie Anan hat schon öfter den Spruch gehört: „Noch nicht mal Deutsche, aber den Mund aufmachen.“ Daß die drei nun ganz presseöffentlich den Mund aufmachen, hängt mit der Bürgerschaftswahl zusammen. Jetzt schreit ihnen auch noch von jedem Laterpfahl die Ausländerhatz von Republikanern und DVU entgegen. Das hat das Faß zum Überlaufen gebracht. „Wenn ich das lese: –Bremen den Deutschen' oder –Deutschland den Deutschen', frag ich mich doch, wer bin ich denn?“ empört sich Helene O.. In ihrem Paß steht „Deutsche“. Melanie Anan ist sich sicher: „Die würden mich doch nie als Deutsche akzeptieren“. „Die haben uns extra ihre Wahlzettel in den Briefkasten geworfen, obwohl an unserem Haus nur ausländische Namen stehen“, vermutet Helene O., „Die wollen uns hier raus haben.“
Die drei Frauen hocken häufig zusammen, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken. Sie wollten eine Gruppe von Betroffenen gründen, aber das hat nicht geklappt. „Wenn die anderen sich nicht trauen, mir ist das egal“, sagt Judith Glißmeyer. „Man muß das einfach mal öffentlich machen. Wenn ich mir vorstelle, die Rechten kriegen noch mehr Stimmen, dann kann ich mich mit meinem Kind kaum noch auf die Straße trauen! „ asp
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