: Spielverderber
Hamburg (dpa/taz) — Noch bevor RTLplus die erste Folge von David Lynchs Kultserie Twin Peaks ausstrahlte, spielten die Redakteure der 'Wahrheit‘ mit dem Gedanken, den Mörder zu verraten, konnten sich aber dann doch nicht zu dieser Gemeinheit entschließen. Sat.1 hingegen kennt keine Hemmungen. Im Krieg um die Einschaltquioten sind alle Waffen erlaubt.
Die Tafel 176 des Sat.1-Videotextes löste das Rätsel und entfachte den Zorn der Konkurrenz: „Liebes RTLplus, sei nicht traurig. Sat.1 hilft allen Deinen Zuschauern beim Gewinnspiel zu Twin Peaks, auf die Gewinnerstraße zu kommen. Laura Palmer wurde von ihrem Vater Leland Palmer umgebracht. Der Vater war sauer über seine kokainsüchtige Tochter, die der Wanderpreis (jeder hatte sie mal) der Gemeinde war. Außerdem wollte sie verraten, daß er vom bösen Geist besessen ist. So war's in den USA — aber vielleicht synchronisiert RTL ja einen anderen Mörder rein...?“
RTLplus Chef Helmut Thoma ist stocksauer. Er führt die Sat.1-Aktion auf die „Verzweiflung“ beim Kampf um Einschaltquoten vor der „Buchungsphase im Herbst“ zurück. „Selbst in Ländern wie Frankreich und Italien, in denen starke TV-Konkurrenz herrscht, hat das Fair play geklappt. Wenn wir sehen, daß jetzt aus der Serie die Luft raus ist, müssen wir sie auf einen anderen Sendeplatz legen und werden uns entsprechende Maßnahmen gegen Sat.1 überlegen.“ Die ersten drei Folgen sahen zwischen 2,7 und 4 Millionen Zuschauer — Tendenz sinkend.
Sat.1-Sprecher Stefan Rabe beurteilt die Gemeinheit gelassen: „Man sollte das Ganze nicht so hoch hängen. Wir sehen es als humorige Einlage.“
Neu ist die Sache mit dem Mörder-Verrat natürlich nicht. Schon Anfang der 60er Jahre hatte Wolfgang Neuss den Mörder des Durbridge-Straßenfegers Das Halstuch per Zeitungsanzeige verraten. Dem Kabarettisten flatterten daraufhin zahlreiche Morddrohungen ins Haus.
Auch RTL sinnt auf Rache: „Wir werden uns etwas einfallen lassen“, so ein Sprecher, „aber auf jeden Fall Stil bewahren.“
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