: Windmühlen im Meinungssturm
■ Windenergie erlebt lange für undenkbar gehaltenen Boom/ Befürworter auf den Husumer Windenergietagen im Clinch mit Naturschutz-Ästheten/ „Politische Durchsetzbarkeit“ begrenzt
Husum (taz) — Im Spannungsfeld zwischen ökonomischem Durchbruch und unerwarteten Akzeptanzproblemen der Branche wurden am Mittwoch die „Husumer Windenergietage '91“ eröffnet. Grund zur Freude bietet den Freunden der umweltfreundlichen Energie ein lange nicht für möglich gehaltener Boom. Andererseits müssen sie sich mit der Tatsache auseinandersetzen, daß die Widerstände von Landschaftsschützern und um den Fremdenverkehr an der Küste bangenden Gemeinden gegen die rotierenden Windspargel bereits zu ersten Projekteinstellungen geführt haben.
Uwe Carstensen von der veranstaltenden „Deutschen Gesellschaft für Windenergie“ forderte in seinem Eröffnungsreferat, die Energiepreise bei fossilen Quellen schrittweise zu verdoppeln und aus „existierenden langlebigen Energietechnologien“ vor Erreichen der Lebensdauer auszusteigen. Langfristig werde sich eine solche Strategie mit Sicherheit auch ökonomisch bezahlt machen.
Vertreter des Bundes, des Landes und des Kreises Nordfriesland berichteten unisono über eine wahre Antragsflut für Windparks und Einzelanlagen, seit das Bundesforschungsministerium sein Windenergie-Förderprogramm von 100 Megawatt auf insgesamt 250 Megawatt aufgestockt und der Bundestag die Stromeinspeisung in das öffentliche Netz mit einem neuen Gesetz erheblich attraktiver gemacht habe. Innerhalb eines Jahres seien Anträge für weit über 4.000 Windräder im Hause Riesenhuber eingetroffen, erklärte der CDU-Bundestagsabgeordnete Dietrich Austermann. Bis zum Jahr 2000 erwartet der CDU-Abgeordnete eine installierte Windenergieleistung, die einem großen Atomkraftwerk entsprechen werde.
Allerdings müsse der Boom der „sauberen Luftenergien“ gegen die „Einsprüche sogenannter Umweltschützer“ geschützt werden. Austermann beklagte, daß das Konzept riesiger Windenergie-Parks vor der Nordseeküste (Off-Shore-Konzept) derzeit aus Rücksicht auf die Naturschützer nicht intensiv genug verfolgt würden.
Der Staatssekretär im Kieler Energieministerium, Klaus Möller, erinnerte daran, daß sich die installierte Windenergieleistung in Schleswig-Holstein in zwei Jahren auf etwa 60 Megawatt verzwanzigfacht habe. Der Trend setze sich beschleunigt fort. Stromproduktion aus Wind könne sich auch für die „gebeutelte Landwirtschaft“ des Landes zu einem zusätzlichen Standbein entwickeln. Nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen habe die Landesregierung in Kiel die Pflicht, die „einzige heimische Energiequelle optimal nutzbar zu machen“, meinte Möller. Das „wirtschaftliche Potential“ dieser erneuerbaren Energie liege im übrigen im nördlichsten Bundesland weit über den von Austermann zuvor für das Jahr 2000 avisierten siebeneinhalb Prozent. Die Frage sei mittlerweile: „Wieviel ist politisch durchsetzbar“ — eine Formulierung, die bisher der Atomenergiedebatte vorbehalten war.
Möller berichtete auch über Umfragen unter Touristen, wonach sich eine „überwiegende Mehrheit für Windenergie“ in der Region ausgesprochen habe. Tatsächlich hätten sich Windanlagen zu wahren „Pilgerstätten“ der Urlauber entwickelt. Windparks, so der nordfriesische Kreispräsident Zühlke in seinem Grußwort, seien für ihn „technische Kunstwerke von großem ästhetischen Reiz“. Gerd Rosenkranz
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