: Eine Frau mit Vergangenheit
■ Britt Kania: Berliner Göre/ Tänzerin und Miß Berlin '69/ »Ich mache jetzt eine richtig solide Ausbildung«
Britt Kanja ist ein Phänomen. Irgendwie gehört sie zu den Leuten, die fast jeder schon einmal gesehen hat, ohne sich genau daran erinnern zu können, ob es in einem Film, auf einer Party oder in der U-Bahn war. Wie auch immer — man hat das Gefühl, sie zu kennen. Daß Britt eine Frau mit Vergangenheit ist, sieht man ihr nicht unbedingt an — spätestens klar wird es, wenn man sich nach ihr erkundigt: »Meinst du die Tänzerin?«, »Sie war Miß Berlin '69« oder »Die ist bei der Tanzstelle« sind nur ein paar der möglichen Antworten, die alle ein bißchen zutreffen. Und was ist die Wahrheit?
»Willst du das wirklich wissen?« lacht Britt und wenn man die zierliche, elegante Frau betrachtet, die in einem hellen Seidenkleid zwischen Antiquitäten und Souvernirs sitzt, vermag man sich kaum vorzustellen, daß sich hinter ihren unschuldigen, wasserblauen Augen die Untiefen eines bewegten Lebens verbinden.
»Also, ich bin sozusagen eine echte Berliner Göre aus dem Wedding«, gesteht sie. »Einen Teil meiner Kindheit verbrachte ich aber auch in Spitzbergen, wo mein Großvater lebte. Nach der Schule begann ich zu tanzen. Ich hatte mit meinem Partner eine Show, die man am besten als eine Mischung aus Jazz- und Ausdruckstanz beschreiben kann, und wir sind in Cabarets in ganz Europa aufgetreten. Wir hatten ziemlich viel Erfolg und haben das sieben Jahre lang gemacht.«
»Und wie war das mit Amerika?«, frage ich. »Ich habe gehört, du seist jahrelang bei einer Sekte gewesen?«
»Also ich nicht«, wehrt Britt ab. »PSI hieß die Sekte. William, mein Mann, hatte damit zu tun. Mich haben sie zum Schluß vier Meilen durch L.A. gejagt. Aber ich weiß nicht, ob ich das erzählen sollte. William lernte ich bei einem Engagement in Lugano kennen und träumte, er wird mein Mann. Ich mußte mich dann für meinen Traum oder das Tanzen entscheiden und ging mit ihm in die Staaten. William war so eine Art Millionenerbe, geriet dann aber in die Hände dieser Sekte. Ich sollte auch an den Kursen teilnehmen und wenn ich Kritik äußerte, hieß es, ich würde die Energie der Klasse zerstören. Schließlich haben sie es mit einer Art Gehirnwäsche versucht, aber ich konnte fliehen. Es war Sonntag, kein Mensch war auf der Straße und kein Auto hielt an. Schließlich kam ich an ein Mercedes-Geschäft und die Leute ließen mich herein. Die PSI- Leute haben behauptet, ich sei eine gefährliche Irre, aber glücklicherweise hat man mir letztendlich geglaubt.«
Britt erzählt, als würde sie Anekdoten von einem Sonntagsausflug zum Besten geben und knabbert vergnügt Schokoladenkekse. »Jedenfalls habe ich mich dann mit William wieder vertragen. Ich habe angefangen, Ernährungswissenschaften zu studieren und Yoga-Kurse gegeben, bloß die Beziehung zu meinem Mann wurde immer schwieriger. Schließlich mußte ich aus familären Gründen nach Europa und hatte nur für ein paar Wochen gepackt, als ich plötzlich auf dem Weg zum Flughafen die Annulierungspapiere für die Ehe unterschreiben sollte.«
Wieder in Berlin und auf sich selbst gestellt, mietete Britt eine Etage am Ku'damm, die sie zur Tanzschule umbauen lassen wollte: »Ich hatte wieder einmal Pech. Die Firma, die ich mit den Umbauten beauftragt hatte, ging Pleite, und ich gehörte zu den Gläubigern, die blöd aus der Wäsche guckten.«
In den folgenden Jahren hielt Britt sich mit Tanzkursen über Wasser und begann, für das Internationale Theaterinstitut zu arbeiten. Die kurze Ehe mit einem schwarzen Bodybuilder brachte ihr ein Lokal namens »Bananas«, einen neuen Nachnamen und dem Paar den Spitznamen »King Kong und die weiße Frau« ein.
Ein neues Kapitel begann mit der »Tanzstelle«. Seit nunmehr drei Jahren gehört Britt als Mitglied des Teams von Bob Young zu den Party- Machern der ersten Stunde und nicht zuletzt Britts umfangreicher Bekanntenkreis trug zum Erfolg des Unternehmens bei. Die »Tanzstelle« organisierte Partys auf Schiffen und in leerstehenden Lagerhallen, veranstaltete Modenschauen und Performanceabende. Schließlich fand man im »90 Grad« in Schöneberg feste Räumlichkeiten.
Britt widmete sich der Gästebetreuung und organisatorischen Aufgaben. »Ich mache jetzt eine richtig solide Ausbildung mit Buchhaltung, EDV usw. Ich denke, danach ist es an der Zeit, etwas Eigenes zu machen.« Darüber, was es sein wird, hüllt sich Britt derzeit noch in Schweigen, doch es scheint sicher, daß ihr nächstes Betätigungsfeld wieder im Nachtleben liegen wird. Martin Schacht
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen