piwik no script img

NICHT ALLE UNTERTASSEN IM SCHRANK Von Dr. Erdling

Ufos gibt es nur, weil man Geld mit ihnen machen kann“, sagt Hans-Jürgen Köhler, Gründer des „Centralen Erforschungsnetzes außergewöhnlicher Himmelsphänomene“ (CENAP), dessen 12 Mitglieder vergangenes Wochenende tagten: „Wir haben 1.300 Ufo-Sichtungen untersucht. An keinem ist wirklich etwas dran.“ Heißluft-Ballons, besonders helle Sterne, Laserstrahlen — CENAP habe inzwischen genug Erfahrung, um für jeden Fall eine plausible wissenschaftliche Erklärung zu finden, meint der Gründer, der einst einer Ufo-Sekte angehörte und dann vom Saulus zum Paulus wurde. Die felsenfeste Sicherheit, mit der CENAP heute an diese „plausiblen wissenschaftlichen Erklärungen“ glaubt, unterscheidet sich allerdings kaum von einer strenggläubigen Sekte — nur daß sich die Überzeugung eben nicht mehr auf das Unerklärliche, Außergewöhnliche, Metaphysische bezieht, sondern auf das Banale, Alltägliche, Selbstverständliche. CENAP und ähnliche Vereine bekehrter Ufo-Gläubiger sind ein klassisches Beispiel für eine Skepsis, die das Kind notorisch mit dem Bade ausschüttet. So modern, rational und aufgeklärt sie auf den ersten Blick scheinen, letztlich sind sie keinen Schritt weiter als die Experten des 18. Jahrhunderts, die den weitverbreiteten Glauben an vom Himmel fallende Steine mit Gutachten konterten — etwa die Pariser Akademie der Wissenschaften, die 1772 eine Denkschrift herausgab, die in der Bemerkung gipfelte, daß „das Fallen von Steinen vom Himmel physikalisch unmöglich ist“. Es sollte noch über 100 Jahre dauern, bis Meteoriten von den Erforschern außergewöhnlicher Himmelsphänome amtlich anerkannt wurden. Es mag Leute geben, die nicht mehr alle Tassen im Schrank haben und deshalb täglich schon vor dem Frühstück mit dem PR-Offizier einer Ufo-Flotte telepathische Morgenandachten abhalten — es gibt aber auch solche, und zu ihnen zählen vermutlich die CENAP-Experten, die nicht mehr alle Untertassen im Schrank haben — und deshalb auch dann ihren Augen nicht trauen, wenn ihnen eine leibhaftige fliegend begegnet. Um derlei Verirrungen zu vermeiden, hat einer der Väter der Erforschung des Außergewöhnlichen, Charles Fort, schon vor mehr als einem halben Jahrhundert die Forschungs-Maxime ausgegeben: „Wir glauben gar nichts, wir nehmen an!“ Das heißt, wir nehmen an, daß es nicht nur Steine, sondern unter Umständen auch Frösche vom Himmel regnen kann, statt ein solches Ereignis von vornherein aus dem Bereich des Möglichen zu verbannen — und somit letztlich immer nur Pseudo-Wissenschaft zu betreiben. Genauso wie die Meteoriten ihre Anerkennung nur einer Erweiterung des physikalischen Verständnisses verdanken, kann auch dem Ufo-Phänomen nur durch eine erweiterte Physik beigekommen werden. Auf der dumpf-materialistischen Ebene haben Forscher wie CENAP natürlich recht — im Rahmen der bekannten Naturgesetze sind Ufos ein Ding der Unmöglichkeit. Erklärt sind sie damit freilich in keiner Weise.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen