: Noice noight, ey!
■ Red Sky Coven mit Pub-Folk im „Modernes“ / Folk-Nachwuchs begeistert
War das gemütlich! Fast alle BesucherInnen im Modernes hatten einen Sitzplatz, auf der Bühne hockte das Trio Red Sky Coven hinter einem Tisch mit alkoholfreien Getränken, und bevor es richtig losgehen sollte, wurde auch noch eine Kerze angezündet. Rev Hammer reichte das geborgte Feuerzeug mit breitem Cockney (“Ey, wha' a noice loighter“) zurück und stimmte zur akustischen Gitarre sogleich ein Lied aus Hackney in Londons Osten an. Von einem Haufen Problemen in seiner Heimatstadt wußte Rev musikalisch zu berichten, nur sein Geklampfe wollte da nicht ganz mithalten. Hammers Spiel war langweilig.
Ganz anders die stark tätowierte Joolz mit ihren feuerroten Haaren. Gelöst erzählte sie kleine Schwänke aus ihrem Leben. Von den Schwierigkeiten der Frauen, sich richtig zu kleiden, war da die Rede und von den Männern, die immer in den gleichen Klamotten herumrennen und sich die Unterhosen nach wie vor von den Müttern kaufen lassen. Das Verhältnis von Frauen und Männern stand im Mittelpunkt ihrer launigen Betrachtungen — alles in Englisch mit einem leichten Anflug von Bradford-Akzent.
Und genau hier wurde es im proppevollen Saal richtig interessant. Wenn Troubadour Rev sich folk-versunken seinen Kneipen- Sing-Alongs hingab oder Justin Sullivan minimalistische Protest- Liedchen seiner Stammformation „New Model Army“ mit Inbrunst intonierte, dann machte sich im jungen Publikum Spannung breit. Kaum, daß Miß Joolz (ihr schottischer Vater nannte seine Tochter Julianne so) mit ihren Sichtweisen über die Welt und überhaupt anhob, setzte eine vielstimmige Unterhaltung in der Menge ein. Nur einige lauschten angestrengt. War da etwa der Unterschied zwischen SchülerInnen des Grundkurses Englisch mit drei Punkten und jenen des Leistungskurses mit fünfzehn Punkten zu erkennnen? Es ist anzunehmen.
Frau Joolz jedenfalls ließ sich überhaupt nicht beirren und traf weiter rhetorisch jeden Nagel auf den Kopf, nach der Pause allerdings zunehmend betroffener. Nun sinnierte sie über die Büchse der Pandora und erinnerte sich mit gedämpfter Stimme an eine Schulkamaradin, die ihrem unerwünschtem Mutterglück mit einer Stricknadel zu Leibe rückte. Spätestens jetzt wurden auch die LeistungskurslerInnen lauter. Aber Justin und Rev waren ja auch noch da. Sie versicherten einander wiederholt, wie sehr sie doch der britischen Folk-Club- Tradition verbunden seien, erzählten Kneipenwitze, verbrüderten sich mit den Deutschen zum „Unification Day“ und sangen von „hostile winds of change“. Jeder für sich, immer schön solo, als wären sie nicht im Modernsten sondern im „White Lion“-Pub oder den „Prospects of Whitby“ zu London.
Nach drei Stunden ging ein Abend zuende, der den Eindruck erweckte, alle Beteiligten seien fürchterlich zufrieden, ohne daß die Erwartungen erfüllt worden wären. Das Publikum vergaß die Labereien und genoß die Zugaben mit Model-Army-Songs, und die KünstlerInnen wunderten sich im Gespräch hinterher, daß ihr Kneipen-Konzept auch im großen Saal ankam. Pretty noice noight, ey. Cool J.F.
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