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Vom Gerücht zur Meldung

■ Weitere Beweise dafür, wie sehr die 'FAZ' die 'taz' liebt

Was macht ein guter Journalist, wenn er den Auftrag erhält, über eine geschlossene Veranstaltung zu berichten? Er schult in einem Blitzfernkurs um auf Dosenöffner. Sogar bei der 'taz', wo in all den schönen vergangenen Jahren eine Haßkappe genügte, um bei jedem Plenum Einlaß zu finden, ist das nicht mehr so einfach: als der Verein der Radfahrer, bunt gewandet, verwegene Gestalten allesamt, am letzten Samstag tagte, um alle heiligen Kühe auf einmal zu schlachten, hatte ein bewährter Hinrichter der seriösen Berichterstattung (vulgo: ‘FAZ') es ordentlich schwer, die Blutorgie live zu begleiten.

Denn das Plenum kannte kein Erbarmen: Kollegen von anderen Zeitungen und den Medien insgesamt wurden ausdrücklichst ausgeschlossen, und das in mehrfacher Wiederholung. Wie baß dann unser Erstaunen, in der ‘FAZ‘ von Montag doch vom Durcheinander in der Debatte zu lesen: Rührend fand uns Herr Jessen, sehr unterhaltend, besonders aber freute ihn, daß er das alte Gesicht der 'taz' wiedererkannte, ihre Wachheit, ihre Instinkte und ihre Ärgerlichkeiten. Woher nahm Herr Jessen seine Gesichte? Fand er sie auf dem Flur, am Rande der Tagung, im vertraulichen Gespräch mit dem inzwischen freilich stellvertretenden Chefredakteur einer Münchener Modezeitschrift? Oder bei den verlorenen Gründern der taz, denen der Aufstieg(sic!) in die bürgerliche Presse möglich gewesen war? (Ist das eigentlich Herrn Fest vorgelegt worden?)

Gleichviel, er hat das beste daraus gemacht: immerhin 200 Zeilen über eine Versammlung hinter verschlossenen Türen (vor denen freilich, anders als bei den Empfängen in der Frankfurter Hellerhofstraße, der livrierte Einlaßdiener fehlt), ein gut informierter, instruktiver Bericht über den Überdruß am Selbstverwaltungsdschungel, nachzulesen in einer seriösen Tageszeitung, zu deren Quellensteuer wir nun unseren Blutzoll betragen dürfen beim Schlachten alter Kühe...

Ob es sich bei den Visionen des Herrn Jessen um eine bisher ungekannte Subspezies des in Frankfurt beheimateten investigativen Journalismus handelt? Ob er dies mit bürgerlicher Presse meint? Haben wir da all die Jahre etwas falsch gemacht? Gibt es doch ein richtiges Leben in Flaschen? Ist Herr Jessen die kostenlos ausgeschenkte Nica-Dröhnung zu Kopfe gestiegen? Ging ihm deshalb vor den verschlossenen Türen ein Licht auf?

Plötzlich nämlich flammte es auf, die Funzel ward zum Stadionscheinwerfer, und eine unsichtbare Stimme sprach: Deutschland braucht die „taz“. Ja, wirklich, so stand es in der 'FAZ', darum ist es gewißlich wahr. es/ww

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