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Heimarbeit reinigt die Luft

Los Angeles (taz) — Dem Smog in den Städten mit Katalysator und Bus-Spuren beizukommen, erweist sich zunehmend als verlorene Liebesmüh — die Lawine aus Stau und Gestank ist mit Verkehrsmaßnahmen nicht aufzuhalten. Ein Experiment in Kalifornien hat jetzt gezeigt, wo die Lösung liegt: nicht im Bau von Straßen und Parkplätzen, sondern im Ausbau von Kommunikationswegen, die den Berufsverkehr überflüssig machen.

Nicht erst seit Hauptmanns Webern haftet der Heimarbeit ein Arme-Leute-Geruch an — „richtige“ Arbeit (und das entsprechende Geld) werden nicht in den heimeligen vier Wänden, sondern draußen gemacht. Doch eben dies ist in unserer Zeit zum Problem geworden: Unter den Millionen von Pendlern, die immer größere Entfernungen zurücklegen müssen, um zu ihrem Arbeitsplatz zu kommen, kollabiert die Luft- und Lebensqualität der Großstädte. Allen voran in Auto-Städten wie Los Angeles, wo die weitgehende Abwesenheit von Bussen und Bahnen jedermann täglich ins Auto zwingt, um seine Handvoll Dollar zu machen — „Big Orange“, wie L.A. als Metropole des Orange County genannt wird, verdient deshalb diesen Namen schon seit längerem in doppeltem Sinne: Die Stadt liegt unter einer gigantischen gelb-orangen Smog- Glocke.

Diese Pest könnte die Stadt zumindest teilweise loswerden — wenn sie mehr elektronische Heimarbeitsplätze einrichtet. Seit längerem kursiert die Theorie, daß die moderne Telekommunikation die zurückgelegten Entfernungen reduziert. Skeptiker wandten dagegen ein, daß die Leute auf ihrem Weg von und zu ihrer Arbeitsstelle Besorgungen erledigen und ein Wegfall der Fahrt zur Arbeit die Verkehrsbewegungen nicht wesentlich vermindert. Ryuichi Kitamura, Professor für „Civil Engeneering“ an der Universität von Kalifornien, hat in den vergangenen drei Jahren das Gegenteil bewiesen. 1988 begannen die Teilnehmer an seinem Versuch, ein genaues Fahrtenbuch zu führen — später wurden sie zu Hause mit einem Computer ausgerüstet, der mit ihrem Büro verbunden war und ihnen Heimarbeit ermöglichte. Während sie zuvor im Schnitt vier Fahrten am Tag machten, waren es dann nur noch zwei. Die zurückgelegten Entfernungen gingen um 80 Prozent zurück, wogegen die Kontrollgruppe ohne Home-PC weiterhin vier Fahrten pro Tag absolvierte. Außerhalb der Rush-hour fuhren die Heimarbeiter nicht mehr als ihre weiter ins Büro fahrenden Kollegen. So logisch dieses Ergebnis scheint, es mußte offenbar erst dieser Langzeitversuch durchgeführt werden, um es wirklich zu beweisen.

Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Im Dienstleistungs- und Informationszeitalter ist es überflüssig, seinen Körper kilometerweit durch die Gegend zu wuchten — um dann vor einem Computer seinen Job zu machen. Mittels Computer, Modem und Telefon kann das in Zukunft von zu Hause erledigt werden. Entsprechende Geräte werden in dieser Woche auf der Telecom 91 in Genf vorgestellt — die nächste Generation des Video-Phone, das Stimme, Bild und Computer-Daten übertragen kann. Die neuen japanischen Modelle können, über Glasfiber-Kabel, die 100fache Datenmenge übertragen, als dies über normale Daten-Netze bisher möglich ist.

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