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Niedersachsen: Keiner hat die Wahl nicht verloren

■ CDU und SPD werfen sich gegenseitiges Versagen in Asylpolitik vor

Die SPD-Spitzen in Bonn und Hannover wollten das relativ schwache Abschneiden der Sozialdemokraten nicht als Niederlage verstanden wissen. Ministerpräsident Gerhard Schröder meinte, er müsse zwar „unumwunden feststellen“, daß die SPD ihr Wahlziel verfehlt habe, es gebe aber „keinen Grund zum Weinen.“ Er warf CDU-Generalsekretär Rühe vor, auf ein Bündnis mit den Republikanern oder der DVU zuzusteuern, um andere Regierungsbündnisse ablösen zu können. Der SPD-Landesvorsitzende Johann Bruns räumte ein, seine Partei habe ihr Ziel, stärkste Partei im Land zu werden, verfehlt. Er machte dafür die Asyldebatte verantwortlich.

Der SPD-Bundesvorsitzende Björn Engholm sagte, die Erwartungen hätten zwar höher gelegen, aber im Vergleich zur letzten Kommunalwahl vor vier Jahren habe die SPD wesentlich weniger als die CDU verloren. Engholm räumte nach der SPD-Präsidiumssitzung in Bonn ein, daß das Asyl-Thema besonders die Verluste der SPD in den Großstädten ausgelöst habe.

Als „phantastisches Ergebnis“, wertete der Generalsekretär der CDU, Volker Rühe, den Wahlausgang. Der niedersächsische CDU-Chef Josef Stock schränkte allerdings ein, die Ursachen für die teilweise über sechs Prozent starken Verluste müßten geklärt werden. Dennoch sei das Ergebnis eine gute Ausgangsbasis für die Landtagswahl 1994. Nach Auffassung von Rühe hat die SPD die „Quittung für ihre Heuchelei in der Asylpolitik“ erhalten. Stock führte außerdem Fehler in der Politik der rot-grünen Landesregierung an. Bündnisse der CDU mit den „Republikanern“ lehnte Stock in jedem Fall ab.

Ministerpräsident Schröder warf der CDU vor, mit ihrer „wahnsinnigen Kampagne Fremdenfeindlichkeit in den Mittelpunkt des Wahlkampfes“ gestellt zu haben. Dies habe auch die „bildungs- oder sozialpolitischen Erfolge“ der rot-grünen Regierung verdecken können. Der SPD- Landesvorsitzende Johann Bruns machte die CDU für das Erstarken der Republikaner verantwortlich. Bruns sah noch gute Chancen, daß die SPD trotz des schlechten Abschneidens durch Bündnisse mit den Grünen stärkste politische Kraft in der Mehrzahl der Kreistage und Stadträte wird. Vor allem in den Städten werde es „reihenweise rot-grüne Bündnisse“ geben.

Die Grünen sehen sich gestärkt. Sowohl Bundesratsminister Jürgen Trittin als auch die Bundessprecher der Partei, Christine Weiske und Ludger Volmer, meinten, die Politik der Grünen in der Landesregierung habe sich mit dem Wahlergebnis voll bestätigt. Der FDP-Landesvorsitzende Stefan Diekwisch sprach von einem mißratenen Wahltest für Rot-Grün. Das Ergebnis müsse sie als Aufforderung verstehen, ihre Politik deutlich zu korrigieren. Auch wenn das Hauptthema die Asylfrage sei, könne die FDP ihre Stellung ausbauen, „wenn sie keine Kurven fährt“, meinte FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff. dpa

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