: An Pressefotografen wie Tiere abreagiert
■ Prozeß gegen drei Polizeibeamte wegen Mißhandlung von zwei Fotografen/ Polizeikollegen wissen von nichts
Moabit. Der Prozeß gegen drei Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt wurde gestern mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, die Fotografen Sabine Sauer und Detlev Konnerth am 1. Mai 1990 in Kreuzberg mit ihren Holzknüppeln schwer mißhandelt zu haben. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Der 34jährige Polizeiobermeister Andreas L. wurde am ersten Prozeßtag in der vergangenen Woche jedoch sowohl von Sabine Sauer als auch vom Fotografen Stefan Doblinger schwer belastet. Für ihn geht es in dem Verfahren um Kopf und Kragen, weil er bereits wegen Körperverletzung im Amt vorbestraft ist.
Gestern wurden vier Polizeibeamte als Zeugen vernommen, die eigenen Angaben zufolge nichts von einer Schlägerei ihrer Kollegen bemerkt haben wollten. Ein Polizist, der damals Konnerths Wunde an der Stirn verbunden hatte, vermutete, daß diese auch von einem Steinwurf stammen könne. Bis auf die Angeklagten hat bislang jedoch keiner der Zeugen Steinwürfe während der Festnahme von Konnerth bemerkt.
Eine 48jährige Kreuzberger Anwohnerin, die gestern gleichfalls als Zeugin gehört wurde, bestätigte, daß Konnerth von einer Gruppe von Beamten zusammengeschlagen wurde. Es sei ihr nicht möglich gewesen, die einzelnen Schläger zu erkennen, sagte die Zeugin mit dem Hinweis: »Sie trugen alle einen Gesichtsschutz und hatten sich sehr bewußt in einem Kreis um den Fotografen gestellt, daß man von außen keinen Einblick hatte.« Als Grund für die Aggression der Beamten vermutete die Anwohnerin, daß sich die Polizisten möglicherweise an dem Fotografen abreagiert hätten, weil sie sauer auf die Demonstranten gewesen seien. Vielleicht hätten sie gerade eine besondere Wut auf die Presse gehabt, oder sich auf Konnerth konzentriert, weil er sich bewegt habe: »Man weiß von Tieren, daß sie sich auf Sachen stürzen, die sich bewegen. Wir haben uns deshalb nicht bewegt«, erklärte die Zeugin, die in jener Nacht mit zwei Nachbarn unterwegs war. Daß Konnerth ein Presseverteter war, könne den Beamten nicht verborgen geblieben sein. Alle Umstehenden hätten laut Presse gerufen, betonte die Frau. Mit dem Urteil wird am Montag, den 21. Oktober gerechnet. plu
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