Bremen zappelt in der Schuldenfalle

■ Karlsruher Bundesverfassungsgericht verhandelte Bremens finanzielle Überlebensfähigkeit

Die finanzielle Überlebensfähigkeit Bremens stand gestern in Karlsruhe zur Debatte, als das Bundesverfassungsgericht sich über zehn Stunden lang mit den Klagen von Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und dem Saarland auf Besserstellung im Finanzausgleich der Bundesländer und bei den Bundesergänzungszuweisungen befaßte. Eine Tendenz des höchstens Gerichts war dabei noch nicht zu erkennen. Mit dem Urteil ist erst in zwei bis drei Monaten zu rechnen.

Bürgermeister Klaus Wedemeier hatte am Vormittag mit einem Grundsatz-Plädoyer in die Verhandlung eingegriffen, fuhr jedoch schon am Mittag wieder zurück nach Bremen, um sich dort der Diskussion über die verlorene Wahl im SPD-Unterbezirk Ost zu stellen. Im Publikum verfolgten Reinhard Metz (CDU), Wolfgang Kahrs (SPD), Claus Jäger (FDP) und Ralf Fücks (Grüne) auf Einladung des Rathauses den Lauf der für Bremens Selbständigkeit entscheidenden Dinge.

Große Illusionen über die Wirkung dieser parteiübergreifenden Bremer Präsenz machten sie sich jedoch nicht. „Wenn man hier sitzt, wird man nicht dümmer“, resümierte Metz am Abend ernüchtert. Als „schwaches Bild für Bremen“ sah Ralf Fücks die frühe Heimreise des Bürgermeisters. Und Jäger kritisierte vor allem die „schwache Position“, die Bremen bei der Verhandlung der besonderen Hafenlasten gezeigt habe. Die entscheidenden Argumente mußten schließlich von Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau vorgetragen werden.

Insgesamt will sich Bremen mit der Klage in Karlsruhe jährlich 595 Millionen Mark in die Landeskasse holen — über die Hälfte der jährlichen Neuverschuldung des kleinsten Bundeslandes. Im Einzelnen fordert Bremen

die Gleichstellung mit dem Saarland, was die Bewertung der besonderen Haushaltsnotlage betrifft (75 Millionen Mark jährlich statt bisher 50 Millionen),

die Erhöhung der Vergütung für die besonderen Hafenlasten von bisher 90 auf 160 Millionen Mark jährlich,

die Verdoppelung der Ausgleichszahlung für die besonderen Kosten der „politischen Führung“ des kleinsten Bundeslandes auf 100 Millionen Mark jährlich

und als größten Posten die Erhöhung der „Einwohnerwertung“ von bisher 135 auf 163 Prozent. Mit diesem Prozentsatz wird die Bremer Einwohnerzahl im Finanzausgleich multipliziert, um die besondere Funktion Bremens für das niedersächsische Umland abzugelten. Die volle Umsetzung dieser Bremer Forderung würde jedes Jahr 450 Millionen Mark zusätzlich in die Landeskasse bringen.

Zusätzlich fordert Bremen noch einmal 400 Millionen Mark als Ausgleich für unrechtmäßig vorenthaltene Zahlungen der Jahre 1983-1986 und eine weitere unbestimmte Summe für die Jahre 1987-1991. Denn trotz des grundsätzlichen Erfolges der ersten Bremer Klage 1986 in Karlsruhe, war die konkrete Erhöhung der Geldzuweisung, die nach langen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern herauskam, deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die zweite Klage folgte denn auch schon 1988. Drei Jahre dauerte danach die Vorbereitung des Verfassungsgerichts auf die gestrige Verhandlung.

Nur mit einem größeren Erfolg könnte Bremen gerade noch einmal der Schuldenfalle entkommen, die ansonsten im nächsten Haushaltsjahr erbarmungslos zuschnappen würde. Die Vorschrift des Grundgesetzes, nach der die Nettokreditaufnahme den Betrag für staatliche Neuinvestitionen nicht übertreffen darf, ist ohne Hilfe von außen nicht mehr einzuhalten. Die Differenz zwischen den beiden Beträgen ist seit 1988 von 390 Millionen Mark auf nur noch 20 Millionen im laufenden Haushaltsjahr geschrumpft — und das trotz des harten Bremer Sparkurses. Wenn Schleswig- Holsteins Ministerpräsident Björn Engholm gestern in Karlsruhe sagte, ohne Änderung des Finanzausgleichs-Systems „stehen wir am Anfang vom Ende des Föderalismus“, dann gilt das zuerst für Bremen. Ase