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So wird es gewesen sein

■ Reinhold Messner, Südtirol, über Walter Kliers Roman „Aufrührer“

Seit drei Wochen wandere (klettere) ich nun zusammen mit Hans Kammerlander um die Grenze Südtirols herum. Diese Aktion — „Nachdenken über das eigene Land“ — ist als Standortbestimmung gedacht. Wer sind wir Südtiroler heute, 1991, beim Umbruch des Europa der Nationen zum Europa der Kulturkreise?

Im Rucksack habe ich einige Bücher, die mir wichtig sind. Darunter Walter Kliers Roman Aufrührer. Es ist die Geschichte der „Bumser-Zeit“, jener Terror- Akte, die die Weltöffentlichkeit auf das „Unrecht“ im Herzen Europas aufmerksam machen sollte.

Walter Klier, Sohn eines der damaligen „Aufrührer“ aus Nordtirol, schüttet in seinem Buch Erinnerungen aus wie einer, der Alpträume zu wiederholen versucht. Dabei gelingt ihm das Bild einer Szene, die voller Geheimnisse, Intrigen, Heldentümelei steckte. Er schreibt in Worthülsen. So reden die Tiroler. Es ist nicht meine Sprache, trotzdem erkenne ich unsere Denkweise in seinen Endlossätzen wieder.

Klier hat die Romanform gewählt, um ein Kapitel aus unserer jüngsten Vergangenheit aufzuarbeiten. Wirklich Geschehenes und Erfundenes vermischen sich. Die Personen sind in ihrem Fanatismus als jene „Freiheitskämpfer“ zu erkennen, die sie gerne gewesen wären. Ihre großdeutschen Parolen, die unverdaute Geschichte, ihre allgemeine Tumbheit bricht aus Klier Sätzen wie Wortlava.

Klier zeigt auf, warum der „Befreiungsanschluß“ scheitern mußte. Wie in der Vergangenheit haben sich die (Süd-)Tiroler maßlos überschätzt.

Übrig blieb Stammtischgeschwätz und ein neues Heldenepos: Südtiroler als Terroristen. Klier räumt mit diesem Klischee auf, und ich glaube ihm. So wird es gewesen sein. Ich kenne uns Südtiroler. Reinhold Messner

Walter Klier: Aufrührer. Roman. Verlag Denticke, Wien, 1991, 324 S., geb., DM 34,- .

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