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In Ljubljana gab es keine Freudentänze

■ Seit gestern ist Slowenien ein Staat mit vielen Insignien der Souveränität/ Was fehlt: diplomatische Anerkennung

Ljubljana (dpa/ap/taz) — Äußerlich schien für die Bewohner der slowenischen Hauptstadt Ljubljana der Dienstag ein ganz gewöhnlicher Tag zu sein. Tatsächlich? Seit gestern lebt das Volk der Slowenen in einem eigenen Nationalstaat, zum ersten Mal seit 1.000 Jahren wird das Land nicht durch Fremde beherrscht, weder durch das Deutsche Reich noch durch Österreich, noch durch Jugoslawien. Dennoch: von Feiern wollte gestern niemand etwas wissen. Gefeiert worden war schon einmal, am 26. Juni diesen Jahres. Damals sagte der slowenische Staatspräsident Milan Kucan in seiner Festrede: „Heute dürfen wir träumen, morgen beginnt ein neuer Tag.“ Doch dieser „neue Tag“ brachte die Invasion der jugoslawischen Armee und den Beginn eines zehntägigen Krieges. „Doch bis zur Verwirklichung der Souveränität ist es noch ein weiter Weg“ ist der Tenor der öffentlichen Meinung. Zwar hat die slowenische Regierung die Kontrolle über das eigene Staatsgebiet fast erreicht — die letzten Truppen der jugoslawischen Armee wollen jetzt per Ungarn das Land verlassen und nach Serbien zurückkehren. Von den ehemals 25.000 Soldaten sind nur noch 2.500 im Lande, und auch die werden bis zum 18. Oktober abziehen. Die Grenzen sind mit Polizei und eigener Territorialverteidigung abgesichert. Auch ein eigener Zoll wird eingebracht. Doch die Entflechtung der Ökonomie aus dem alten Staatenverband wird ein schwieriges Unterfangen. Auffallend waren am Dienstag nämlich die geschlossenen Banken. Hinter deren Türen wurde zwar eifrig gearbeitet: Die Vorbereitungen für den Umtausch des jugoslawischen Dinars in die neue slowenische Währung liefen auf Hochtouren. Das neue Geld soll — nachdem zunächst parallel zum Dinar namenlose Bons als Geldersatz ausgegeben werden — den Namen „Tolar“ (Taler) tragen, entschied das slowenische Parlament. Doch bisher wurde das Geld im Ausland nicht anerkannt.

Anerkennung steht aus

Auch bei anderen Insignien der Unabhängigkeit tut sich das Land schwer. 150.000 Reisepässe sind bereits gedruckt worden — sie sind kleiner als die bisherigen noch zwei Jahre gültigen jugloslawischen Pässe. Außerdem sind sie blau, nicht wie zuvor rot. Von Italien und Deutschland wurde zwar das ansprechende Äußere der kleinen blauen Heftchen hervorgehoben, für die Einreise wurde aber „auch“ der jugoslawische Paß verlangt.

Ganz neu dagegen ist die Situation an der 560 Kilometer langen slowenisch-kroatischen Grenze. An den 36 Übergängen dürfen die Slowenen und zunächst auch die Kroaten, Serben und Mazedonier nur mit dem Personalausweis passieren, von den Ausländern aber wird der Reisepaß verlangt. Slowenien hat also eine neue „richtige“ Staatsgrenze, die es neben der zu Italien, Österreich und Ungarn zu schützen gilt.

Nachdem die Europäische Gemeinschaft zunächst die Bewahrung der Einheit Jugoslawiens zum Ziel ihrer Politik gemacht hatte, mehrten sich im Verlauf der Kämpfe in Kroatien die Stimmen für eine Anerkennung auch Sloweniens. Die Neigung der Bonner Bundesregierung, Kroatien und Slowenien anzuerkennen, wird von einigen Partnern in der Europäischen Gemeinschaft skeptisch beurteilt. So fürchten Briten, Franzosen und Spanier, ein solcher Schritt könnte die Separationsbestrebungen eigener Minderheiten wie Schotten, Korsen und Katalanen ermutigen. Die österreichische Bundesregierung hat ihre Bereitschaft zur Anerkennung Sloweniens und Kroatiens erklärt, will aber diesen Schritt nicht als erste tun. Ebenso haben die Tschechoslowakei, Polen und Ungarn Bereitschaft zur Anerkennung der beiden Staaten signalisiert, wenn ein westeuropäisches Land diesen Schritt als erstes tun würde, doch dürften zumindest in Prag angesichts sich verstärkender Unabhängigkeitsbestrebungen in der Slowakei dagegen auch Bedenken bestehen. Mit 20.251 Quadratkilometern Fläche etwa so groß wie Rheinland-Pfalz, aber einer Bevölkerung von nur knapp zwei Millionen Einwohnern, wäre Slowenien einer der kleinsten Staaten Europas.

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