: Ekstase aus dem Wunderhorn
■ Jazztrompeter Hannibal Marvin Peterson begeisterte sein Publikum im Kito
Zuerst gab es Zoff hinter den Kulissen: fast eine Stunde ließ Peterson wegen „vertraglicher Schwierigkeiten“ seine Zuhörer warten — und ein sichtlich genervter Redakteur von Radio Bremen, der das Konzert aufzeichnete (darum ging es auch bei den Feilschereien in letzter Sekunde), hatte mit der Ankündigung : „Entweder ihr wartet noch zehn Minuten, oder das Konzert fällt ganz aus“ für Unmut gesorgt.
Auf der Bühne war von den Querellen nichts mehr zu spüren. Hannibal Marvin Peterson spielte sich in jedem seiner Soli in Ekstase. Fast ausschließlich in den hohen Tonlagen, die andere Trompeter kaum noch erreichen; mit einem atemberaubenden Temperament und virtuoser Spielfreude, die immer wieder versucht, die technischen Grenzen des Instruments zu überwinden; mit endlos scheinenden Läufen, denn durch die Technik der Zirkulationsatmung kann Hannibal tatsächlich spielen, ohne Luft zuholen: mit all diesen Mitteln ist es Hannibal gelungen, einen tatsächlich einmaligen Stil auf seinem Instrument zu entwickeln.
An diesem Abend bewies er, daß der Ehrentitel „Muhammed Ali der Trompete“ durchaus angemessen ist. Und seine deutsch / amerikanische Gruppe spielte durchweg auf dem gleichen hohen Niveau. Schlagzeuger Idris Muhammad ist mit seiner Mischung aus freien und afrikanischen Rhythmen der ideale Begleiter für Petersons Höhenflüge. Zweimal hoben die beiden in Duos ab, und an Hannibals Handbewegung zum Bassisten, der sofort aufhörte zu spielen, sah man, daß diese Zwiegespräch sich tatsächlich frei und spontan entwickelten.
Die Deutschen Uli Lenz am Piano, Johannes Barthelmes am Saxophon und Günther Lenz am Bass spielten makelos, hatten auch viel Raum für ihre Soli, aber wurden unweigerlich in jedem Stück wieder von Peterson in den Schatten gespielt. Das Programm war mit Standards, lateinamerikanischen Rhythmen, Balladen und einer Suite mit dem angemessenen Titel „Flames of South Africa“ wie eine Reise durch den modernen, akustisch gespielten Jazz angelegt.
Der einzige Missklang des Konzertes war Petersons Ansage zwischen den beiden Sets, in der er seinen Auftritt als religiösen Akt, als „blessing“ beschrieb: das war nach diesem Vorspiel doch ziemlich starker Tobak. Willy Taub
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