: Vergreiste Jugendliche
Bei geschlossenen Augen hörte sich alles ganz normal an: Pöbeleien, Polemik und eine Präsidentin mit Namen Süssmuth. Bei offenen Augen und genauerer Betrachtung bemerkte man/frau den kleinen Unterschied: Keine/r der Anwesenden war älter als 25.
Kein Jungbrunnen, sondern die Veranstaltung „Jugend und Parlament“ machte es möglich. 450 Vorzeigekids aus der gesamten Republik wurden für die Zeit vom 6. bis 8. Oktober von ihren Wahlkreisabgeordneten nach Bonn beordert. Offensichtlich nicht, um sich zu informieren, sondern um die zukünftige Arbeitsstätte kennenzulernen. Alles hatte recht nett angefangen. Die Zimmerverteilung geschah überparteilich, und die Jugendherbergs-Kneipe wurde von allen parteiunabhängig und heftig frequentiert. Jusos zechten mit den JUlern, Julis mit den von der PDS geschickten. Ein kurzer Blick auf das obligatorische Namensschild verriet die Parteizugehörigkeit des anderen. Keine Reibereien, hier ein bißchen Woodstock-Feeling und dort ein wenig Toleranz. Ernst wurde es dann in den Gesprächskreisen. „Ist die Umwelt noch zu retten?“ oder „Blauhelme? Weltpolizei?“ hießen die heißen Themen. Die erste Frage konnte noch mit einem deutlich Nein beantwortet werden, bei der zweiten war das schon nicht mehr so einfach. Unter der Leitung von altgedienten MdBlern blieb jedoch alles gleichermaßen sinnlos und friedlich. Ein/e Jugendliche/r pro Gruppe bekam die Ehre zugesprochen, die Ergebnisse am nächsten Tag im Plenarsaal vorzutragen.
Anstatt sich zu den ZechgenossInnen zu setzen, blieb man in der Arena im eigenen Haufen. Das kannte man/ frau von Fernsehen. Rita sagte noch ein paar Worte, dann durfte der erste junge Mann ans Rednerpult. Anzug und Krawatte schmücken ihn, Langeweile verbreitet er. Die ganze Dramaturgie der Peinlichkeit erinnerte an die Mini-Playback-Show: Die Musik kam aus der Konserve Parteibuch, und ansonsten war man nur noch um synchrone Lippenbewegungen bemüht. Profilierungssucht herrschte vor unter den deutschen Junggreisen, und wer einem Juso applaudierte, war selbst Juso. Patrick de Gruyter
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen