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Metall-Handwerkermesse

■ Coroner, Mekong Delta und Depressive Age bemühen sich um technische Virtuosität

Das Gegenteil von »Suffocation« ist der rechtschaffene Handwerker. Diese Gruppe Mensch, die sich auf Fingerfertigkeit versteht, die eigenen Techniken immer weiter vervollkommnen will und denen es um eine künstliche Veränderung des Rohmaterials geht: Holzblock muß Stuhl werden, nicht: Holzblock bleibt Holzblock und kann auch als Stuhl genutzt werden, oder man macht ihn ganz kaputt. Handwerker verarbeiten nicht nur Holz, es gibt sie auch in der Metal- Branche. Dort ist den Handwerkern besonders daran gelegen, einen Rohstoff (z.B. Metallica oder Slayer) als Basis zu nehmen und darauf ganz viel eigenes, verzwicktes Gitarrenmaterial zu basteln. Ein Break hier, ein virtuoses Solo dort dazugepackt — das ist dann Mehrwert.

Das Trio mit der klaren schweizer Alpenstimme von Ron Royce, das sich »Coroner« nennt und deren Musik Speed-Metal und Techno-Trash genannt wird, macht das auf ihrer letzten LP Mental Vortex ganz besonders vertrackt. Nix zum »Teufel aus dem Bauch schreien«, eher zum dreimal hören, um den Faden zu kriegen.

Und weil auch in der Schweiz die Jugend ihren Aufstand mittels Musik erprobt, und man sich in den Klängen dann auch geborgen fühlen möchte, singen Coroner vom bösen System, das den Krieg als Mittel zur Macht benutzt und der schlechten Religion, die den Haß zur Messageverbreitung gebraucht. Weit ab von den Splatterschlachten der Todesmetaler, die auch mal zum »versuch's doch mal mit Satan« greifen. Coroner prügelt die Langhaarigen und Verdammten nicht in Sekundenschnelle zu, um ihnen mit dem letzten gegrunzten »suffer« den Kick zu geben. Die sollen lieber zusehen, wie gut die da oben ihre Instrumente beherrschen.

Den brutalen Hirnschlag, nicht den, der zum endgültigen Umsturz auffordert, sondern den, der einen ungläubig und wütend über etwas macht, das vielleicht Dummheit, völlige Geschmacklosigkeit oder falschverstandene Ironie ist, geben »Mekong Delta« mit dem Cover zu ihrer vierten LP Dances of the Death (and other walking shadows): Es soll wohl an die Malerei von Giger erinnern und den »Tanz der Toten« zeigen, splattert aber nicht und greift auch nicht an (wie die Napalm Death Covers z.B.), sondern zeigt KZ-Leichenberge, Endzeitstimmungsfratzen und den »Meister des Todes«, der sich eine leckere Vollbusige aus dem Haufen zieht. Das erste Stück heißt dann auch noch Beyond the Gates, nachdem zuvor etwas wie Paco de Lucia klimpert. Die »Virtuosus of Metal« scheinen Gefallen an den »Fachleuten des Todes« zu finden. Kompromißlos sei die Musik der Band, sagt das Info — und das macht richtige Männer ja erst aus. Vielleicht liegt's daran, daß einer der Mekong-Delta-Jungs aus Florida kommt — jedenfalls gibt es am Ende noch eine Glorification of Satan and Celebration of the black mess the Sabbath revealed.

Techno-trashie das Ganze und ganz im Sinne der Zunft bringt die Band, die sich hauptsächlich aus Ruhrgebiet und dessen Ausuferungen rekrutiert, alles technisch perfekt, aber wenig lebendig.

Neben der Präsidialabteilung der Stadt Zürich sagen Coroner auf ihrem Cover auch »Hallo« zu »Depressive Age«, der dritten Band.

Die fünf, die früher, als sie noch »Blackout« hießen, zusammen in Ost-Berlin wohnten, sind mehr oder weniger reibungslos (Sänger Jan mußte nach seinem mißglückten Fluchtversuch erst mal ein Jahr in den DDR-Knast) nach West-Berlin gewechselt. Auf ihrem Tape Beyond Illusions gibt es in einigen Stücken harte Breaks von schnellen, aggressiven Teilen zu traurigen Melodien mit Quennsryke-ähnlicher Stimme.

Also nix für HCler, die jetzt dem Grind-Death-Metal frönen, eher was für Metaler, die auf technische Virtuosität und sonst nix stehen. 'ne Candlemass-Sauf-Ab-Party zum Mitgrölen wirds wohl nicht werden. ave

Am Dienstag, den 15.10., um 20Uhr im H&M, Langhansstraße 23

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