Raritäten im Berliner Friseurmuseum

■ Die Zunft der Barbiere ist bereits 5.000 Jahre alt/ Die Friseure waren aber nicht nur für die Körperpflege zuständig, sondern sie kümmerten sich auch unter anderem mit »Zahnhaken« und »Zahnbrecher« um die Gesundheit ihrer Kunden

Prenzlauer Berg. Wer schön sein will, muß leiden. Und wer gesund sein will, noch viel mehr. So ähnlich jedenfalls stellt es das private Berliner Friseurmuseum dar. Ob nun Menschen aus der Bronzezeit, edle Rokokodamen, der Sonnenkönig oder Wilhelm II., alle unterzogen sich den Barbierskünsten, die sich nicht nur auf Haareschneiden und Bartrasieren beschränkten.

In den zwei Ausstellungsräumen in der Husemannstraße in Prenzlauer Berg sind rund 1.000 Ausstellungsstücke von insgesamt 13.000 der Sammlung zu sehen. Die Tätigkeit der Barbierszunft kann bis in die Bronzezeit zurückverfolgt werden. In ihr Metier fielen auch medizinische Künste. So zeigt das Museum neben bronzezeitlichen Haarnadeln und Salbölampullen aus dem dritten bis zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auch »Zahnbrecher« und »Schröpfköpfe«. Die Barbiere ließen, wenn sie es für notwendig hielten, ihre Patienten auch zur Ader. Ebenso soll der erste — leider nur halb erfolgreiche — Kaiserschnitt 1610 von einem Friseur durchgeführt worden sein. Als Zahnklempner waren die Barbiere unentbehrlich.

Der Museumsdirektor Jürgen Platow (46) demonstriert, wie früher der »Zahnhaken« angewendet wurde, was bei den MuseumsbesucherInnen ein leichtes Grauen verursacht. Da auch die Entwicklung der Betäubungsmittel in jenem Jahrhundert noch in den Kinderschuhen steckte, mußte für diese Zwecke ein Holzhammer herhalten. Der Friseur Thomas aus Bautzen gehörte zu denen, die Ende des 19. Jahrhunderts auch Zahnbehandlungen vornahmen. Eine Wurzelbehandlung kostete damals bei ihm 50 Pfennig, das Ziehen eines Backenzahns 75 Pfennig und eine Brücke 2.50 Mark. Neben dem ausgestellten»Zahnbrecher« liegt ein »Handfleischwolf«. »Als Späßchen haben wir hier die Kaumaschine Wedroh, sollten die Zahnbehandlungen fehlgeschlagen sein«, witzelt Platow. Bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts hatten Friseure noch Zähne gezogen.

Aus der Rokokozeit, dem Zeitalter der »Schmuddelkinder und des Kitsches«, wie Platow schmunzelnd sagt, sind Flohfallen zu sehen, die die Frauen damals um den Hals trugen. Die Fallen waren mit in Blut und Honig getränkter Watte gefüllt. Zu der Zeit waren Turmfrisuren modern, die auf den Köpfen der Frauen hoch aufragten. Die Frisurenmode änderte sich im Laufe der Jahrzehnte. Zu Zeiten Ludwig XIV. zum Beispiel trugen die Männer Allongeperücken, Friedrich Wilhelm I. trat dahingegen nicht ganz so üppig behaart auf. Die sparsame Seele des Soldatenkönigs gebot ihm, nur einen Zopf zu tragen. Beamte und Soldaten mußten seinem Beispiel folgen.

Im hinteren Ausstellungsraum befindet sich eine Ladeneinrichtung von Francois Haby, dem Hoffriseur Wilhelms III., des letzten deutschen Kaisers. Haby war auch der Erfinder des kaiserlichen Spitzbartes. Die Gestaltung des Ladens wurde 1901 von dem Jugendstilarchitekten Henry van den Velden vorgenommen, der später Mitbegründer des Bauhauses war. Ein weiteres Stück ist der erste elektrische Dauerwellenapparat, er stammt aus dem Jahr 1910. Er wurde bis auf 120 Grad erhitzt. In einer »Scherzvitrine« befindet sich ein Kamm für Glatzköpfe, die kleinste Haarschere der Welt und eine Rasiermesser-Schleifmaschine im Form einer Guillotine.

Der Historiker Jürgen Platow hatte das Museum im Januar 1987 übernommen. Bei der Einrichtung des Friseurmuseums mangelte es zunächst an Materialien und Geld. Die Ausstellungsvitrinen mußte Platow selbst bauen, ebenso Bilderrahmen. Im April 1987 konnte das Museum dann endlich eröffnet werden. »Damals war es gut besucht«, erzählt Platow. »In der Zeit von April 1987 bis Dezember 1989 kamen rund 50.000 BesucherInnen.« Zufrieden zeigt er das Gästebuch, in dem sich die BesucherInnen durchweg positiv äußern. Nach einer vorübergehenden Flaute in der Nach-Wendezeit sei das Interesse nun wieder angewachsen.

Begonnen hatte die ganze Museums-Geschichte vor 30 Jahren. Der Vorsitzende der Einkaufs- und Liefergenossenschaft des Berliner Friseurhandwerks (ELG), Jörg Maiwald, begann 1961 Objekte der Friseur-Zunft zu sammeln. 1964 übernahmen rund 250 private Friseure, die in der ELG organisiert waren, die bereits sehr umfangreiche Sammlung. In den Räumen der ELG konnte sie zunächst als provisorische Ausstellung gezeigt werden. Die Genossenschaft war bis 1991 Träger des Museums. Im September 1991 gründete sich der »Museumsverein des Berliner Friseurhandwerks«, der die Betreiberrechte besitzt. Diese soll zukünftig das Land Berlin übernehmen, damit der Erhalt des Museums gesichert ist. Susanne Landwehr