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Die halbe Wahrheit des Dorian alias Zippel

■ CDU-Mann wußte von seinem Stasi-Decknamen/ Ehemalige Mitarbeiterin belastet ihn/ CDU hält an ihm fest/ Liepelt: Zippel soll sich erklären

Berlin. Noch vor Beginn der Plenardebatte des Abgeordnetenhauses am Donnerstag nachmittag bat der Abgeordnete der CDU und Chefarzt am Klinikum Buch, Dr.Christian Zippel, um das Wort für eine persönliche Erklärung.

Wie er betonte, sei er zu keinem Zeitpunkt, so der Parlamentarier, mit Wissen und Wollen sogenannter Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen. Er habe zu keinem Zeitpunkt Zuwendungen oder weitere Vorteilsannahmen erhalten. Er habe niemals schriftliche Berichte geliefert, auch habe er der Stasi nicht durch mündliche Zuarbeit gedient.

Anlaß dieses klaren Dementis war ein Bericht in der taz des gleichen Tages, nach dem Christian Zippel von der Staatssicherheit als Informeller Mitarbeiter (IM) geführt worden war. In dem Bericht wurde auch auf Unterlagen der Hauptabteilung XX hingewiesen, aus denen hervorgehe, daß Zippel unter dem Aktenzeichen XV 1779/82 geführt wurde. Der Mann mit dem Decknamen »Dorian« soll Erkenntnisse über Westkontakte seiner Mitarbeiter weitergegeben haben. Insgesammt seien 17 Parlamentarier für die Stasi tätig gewesen.

Diese Enthüllungen und Zippels Erklärung sorgten für Unruhe unter den Parlamentariern. Der CDU- Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky mutmaßte in dem Bericht der »AL-nahen taz« »ein Entlastungs- und Ablenkungsmanöver« der »nach der Enttarnung des AL-Gründers Dirk Schneider schwer betroffenen Alternativen«.

Zu diesem Zeitpunkt wußte Landowsky bereits, im Gegensatz zu den meisten Parlamentariern, daß Zippel mit seiner Erklärung nicht die volle Wahrheit gesagt hatte.

Denn wie der Fraktionsgeschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, gegenüber der taz erklärte, hatte Zippel die Fraktionsspitze bereits zuvor davon in Kenntnis gesetzt, daß über ihn eine Akte existiert. Zippel selbst will davon im Dezember 1990 Kenntnis erlangt haben. Sein Kontaktmann bei der Berliner Bezirksverwaltung der Stasi, Günther Schachtschneider, habe dem Arzt gegenüber damals erklärt, daß über ihn ein Vorgang unter dem Decknamen »Dorian« existiert. Dem Plenum des Abgeordnetenhauses verschwieg Zippel diese Tatsache. Erst im Nachhinein bestätigte er, daß er sehr wohl Kontakte zur Stasi hatte. Er habe bei diesen Gesprächen jedoch keine Informationen weitergegeben.

Das sieht eine ehemalige Mitarbeiterin Zippels ganz anders. Die Krankenschwester Martina Elgt erklärte gegenüber der »Abendschau«, daß sie 1985 bei dem Versuch, auf das Gelände der Ständigen Vertretung der BRD in Ost-Berlin zu gelangen, festgenommen wurde. Sie wurde von den Sicherheitskräften mit den Worten abgefangen, »auf sie haben wir schon gewartet«. Frau Elgt vermutet hinter dieser Festnahme Zippel als Informanten der Sicherheitsbehörden. Ihr damaliger Lebensgefährte aus West-Berlin war bereits drei Jahre zuvor bei der Einreise nach Ost-Berlin an der Grenze festgehalten worden. Bei einem Verhör will er in einer Akte Zippels Namen gelesen haben.

Liepelt erklärte gestern dazu, daß es nun Zippels Aufgabe sei, sich zu diesem Vorwurf zu erklären. Er selbst sieht keinen Anlaß, aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse, Maßnahmen gegen Zippel einzuleiten. Die CDU will die Würdigung des Vorgangs dem Ehrenrat überlassen, der zur Überprüfung der Stasivorwürfe gegen Abgeordnete eingesetzt werden soll. Dieter Rulff

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