KOMMENTAR: Daimler schlägt zurück
■ Attacke gegen den prämierten Entwurf zum Potsdamer Platz
Nach Ende des städtebaulichen Wettbewerbs um den Potsdamer Platz wurden die Investoren ob ihrer beispielhaften Zurückhaltung gefeiert. Doch Stadtentwicklungssenator Hassemer ahnte schon Übles: er betonte, es komme darauf an, den »Tiger zu reiten«. Nun ist der Tiger gesprungen. Und es steht dahin, ob der Senator noch zum Reiten kommt. Matthias Kleinert, Generalbevollmächtigter von Daimler-Benz, hat am Sonnabend im 'Tagesspiegel‘ den ersten Preisträger, die Architekten Hilmer und Sattler also, total verrissen. »Weltniveau?« »Identitätsstiftende Visitenkarte für den Bauherrn?« »Akzentuierte Stadtlandschaft?« — »Aus der Traum!« Dieser Entwurf sei »Posemuckel«. Außerdem: Mit dem Konzept, für das im übrigen alle Politiker in der Jury votierten, gebe es wieder die Lichtlosigkeit der Mietskasernen und die sterile Monumentalität der »Stalinallee«.
Aber das war nur der Anfang des Verrisses: von wegen Zurückhaltung; die Investoren hätten, obgleich versprochen, gar nicht ihre Meinung äußern dürfen. Das Vertrauen sei dahin. »Weltunternehmen« würden schlechter als jede »Kiez-Initiative« behandelt. »An symbolischer Stelle« würden die »antikapitalistischen Spielchen jener eingemauerten Idylle weitergetrieben.« Es gebe keine »Berechenbarkeit der Politik der Investoren« — das an die Adresse des Senators.
Eine Meinungsäußerung von Daimler-Benz? Kaum. Das ist einmal mit dem Elefantenfuß gestampft. Zu deutsch: offene, absolut unzivilisierte Einmischung. Der Großinvestor ist ungnädig und bittet die Politik zum Rapport. Natürlich hat die einschüchternde Attacke ein Ziel: Hilmer/Sattler mit ihrer »berlinischen Lösung«, mit ihrem etwas biederen, aber freundlichen Entwurf, haben auf Hochhäuser verzichtet. Das regt offenbar den Investor auf. Er will natürlich den weithin sichtbaren Stern, das »identitätsstiftende Hochhaus.« Deswegen also Sperrfeuer, Diskriminierung eines anständigen Entwurfs und unverhüllte Drohung an die Politiker. Aber kann man in dieser Stadt so auftreten? Bausenator Nagel, der sein Mißfallen über Hassemers Stadtplanung kaum unterdrücken kann, ermutigt offensichtlich zu derlei Attacken. In Berlin kann ein Investor offenbar glauben, einen Senator mit dem anderen Senator öffentlich zu schlagen. Aber Daimler-Benz sollte aufpassen: diese Attacke verletzt den Stolz der Stadt. Nach dem großen Reibach beim Grundstückserwerb, nach dem Diktat des Zeitplans für den städtebaulichen Wettbewerb sollte der Weltkonzern sich beim Diktieren bremsen. Er mag vom Rückgrat Berliner Politiker nichts halten. Aber die Toleranz der Stadt ist vom Investoren-Absolutismus schon übermäßig strapaziert. Sie wird sich nicht ein »identitätsstiftendes« Weltunternehmens-Symbol ins Gesicht spucken lassen. Klaus Hartung
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