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Nobelpreis gegen die Diktatur

■ Daß sie ihren Preis in Oslo abholen wird, ist kaum anzunehmen: Aung San Suu Kyi, prominenteste Oppositionspolitikerin von Myanmar (Birma), wird seit Juli 1989 unter Hausarrest gehalten. Sollte sie fahren...

Nobelpreis gegen die Diktatur Daß sie ihren Preis in Oslo abholen wird, ist kaum anzunehmen: Aung San Suu Kyi, prominenteste Oppositionspolitikerin von Myanmar (Birma), wird seit Juli 1989 unter Hausarrest gehalten. Sollte sie fahren, ließen sie die Militärs wohl nicht mehr ins Land.

Weiß sie, daß sie den Friedensnobelpreis erhalten hat? Aung San Suu Kyi, die 47jährige birmesische Oppositionsführerin, sitzt seit über zwei Jahren isoliert und unter ständiger Bewachung in ihrem Haus in der birmesischen Hauptstadt Rangoon. Sie darf keine Besuche empfangen, ihre Telefonleitung wurde gekappt. Doch die Hoffnung des birmesischen Militärregimes, das zu den brutalsten der Welt zählt, sie mit dem Hausarrest auch aus dem Gedächtnis der Bevölkerung verschwinden lassen zu können, ist nicht aufgegangen. Ihr Mut und die Beharrlichkeit, mit der sie allen Schikanen der Militärjunta standgehalten hat, haben sie vielmehr zu einem Symbol der Hoffnung und des Widerstands in Birma werden lassen. „Für ihren gewaltlosen Kampf für Demokratie und Menschenrechte“, so die Begründung des norwegischen Komitees, erhielt Aung San Suu Kyi nun den Friedensnobelpreis.

„Man wird nicht durch die Macht korrumpiert, sondern durch Angst“, hatte es in einer Rede geheißen, die von ihrem Mann verlesen wurde, als sie im Sommer dieses Jahres bereits den Menschenrechtspreis des Europäischen Parlaments erhielt. „Die Angst vor dem Verlust von Macht korrumpiert diejenigen, die sie besitzen. Und die Angst vor der Geißel der Macht korrumpiert diejenigen, die ihr unterworfen sind.“

Aung San Suu Kyi, Tochter des als „Vater der Unabhängigkeit“ verehrten Nationalhelden Aung San, der 1947 ermordet wurde, hatte im Alter von 15 Jahren Birma verlassen, zusammen mit ihrer Mutter, die als erste weibliche Botschafterin des Landes nach Indien gesandt worden war. Während dieser Zeit putschte sich das Militär an die Macht. Aung San Suu Kyi blieb in Indien, begann dort ein Studium der Politischen Wissenschaften und der Philosophie Mahathma Gandhis, beschäftigte sich aber darüber hinaus mit Geschichte und Politik ihrer Heimat Birma. Seit den siebziger Jahren lebte sie in England, heiratete dort den Tibetologen Michael Aris und bekam zwei Söhne. 1988 kehrte sie nach Birma zurück, um ihre Mutter zu pflegen, die im Sterben lag.

Mit brutaler Gewalt ließ das Militär im August 1988 auf die Demonstranten schießen, die in Rangoon und anderen großen Städten auf die Straße gegangen waren und Demokratie und Menschenrechte forderten. Damals begann sie sich politisch zu engagieren. In öffentlichen Auftritten forderte sie die Bildung einer Übergangsregierung und freie Wahlen und gründete eine neue Oppositionspartei, die „Nationale Liga für Demokratie“ (NDL). Als dann die Armee in September die Macht übernahm, war sie bereits zum Symbol der Oppositionsbewegung geworden. Ihr Name und die Verehrung, die sie als Tochter des Nationalhelden Aung San genoß, bewahrte sie vor dem Schicksal Tausender von Dissidenten und Oppositionspolitikern, die in den kommenden Monaten verhaftet, gefoltert und ermordet wurden. Im Sommer 1989 stellte sie die Junta unter Hausarrest und versuchte seitdem, sie durch Diffamierungskampagnen und Schikanen zur Ausreise zu bewegen. Sie sei eine Hure, ihre Kinder, da halb englisch, seien „Bastarde“, hieß es unverblümt rassistisch in den von der Junta kontrollierten Medien. Kurz, sie sei eigentlich keine „birmesische Frau“. Ihr Mann und ihre Kinder durften sie seit Weihnachten 1989 nicht mehr besuchen. Im Juli vergangenen Jahres öffneten die Behörden Briefe und Pakete, die ihr Mann ihr geschickt hatte, und ließen den Inhalt in der lokalen Presse veröffentlichen. Seitdem hat sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie.

Daß Hausarrest und unnachsichtige Verfolgung der Opposition dennoch nicht zu dem gewünschten Ergebnis führten, mußte das Militär feststellen, als es bei den ersten Wahlen seit dreißig Jahren, die im Mai 1990 stattfanden, eine eindeutige Niederlage einstecken mußte. Die Oppositionskoalition unter Führung der NDL gewann über 80 Prozent der Stimmen. Doch die Junta, die sich mit dem Namen „State Law and Order Restauration Council“ (SLORC) schmückt, weigert sich seitdem, die Macht abzutreten. Mit äußerster Brutalität verfolgt sie jeden Ansatz von Opposition. Amnesty international und internationale BeobachterInnen berichten von Folterungen in mindestens 19 bekannten Haftzentren. Als sich birmesische Mönche weigerten, buddhistische Zeremonien für die Militärs durchzuführen, reagierte das Militär mit Verhaftungen und Besetzungen von Tempeln. Ganze Dörfer werden dem Erdboden gleichgemacht, wenn die Militärs dort „Aufständische“ vermuten.

Den Kampf gegen die eigene Bevölkerung — dazu gehört auch ein jahrzehntelanger Krieg gegen die ethnischen Minderheiten — finanziert das Militär mit einem Ausverkauf der natürlichen Ressourcen. Es erhält Waffen aus China und Thailand gegen Edelsteine, Opium und Teakholzkonzessionen. Ein dunkles Kapitel ist auch die Zusammenarbeit der Bundesrepublik mit den birmesischen Militärs. Eine birmesische Tochterfirma der „Fritz-Werner-Industrieausrüstungen“ produziert Gewehre direkt in Rangoon. Auf die Nachricht über Verleihung des Friedensnobelpreises reagierte die Junta des Landes, das bis in die sechziger Jahre zu den wohlhabendsten Staaten Südostasiens zählte und heute eines der ärmsten Länder der Welt ist, kühl. Sie betrachte dies als „Einmischung in unsere Regierungspolitik“, wie ein Vertreter der birmesischen Botschaft in Bangkok erklärte. So war's wohl auch gemeint. Jutta Lietsch

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