: Nichts hat sich seit 1986 verändert
■ betr.: "Tschernobyl II: Fast alles wie gehabt", taz vom 14.10.91
betr.: „Tschernobyl II: Fast alles wie gehabt“, taz vom 14.10.91
Der erneute Brand in einem Block des Atomkraftwerks Tschernobyl beweist: Nichts hat sich seit 1986 verändert. Die Atomkraftwerksbetreiber haben weltweit nichts hinzugelernt. Wieder versagte die Abschaltautomatik, trotz Nachrüstung mit westlicher „Sicherheitstechnologie“. Der Brand hätte leicht wieder zur Katastrophe führen können. Es ist davon auszugehen, daß mindestens durch die von Hand durchgeführte Schnellabschaltung erhöhte Radioaktivität freigesetzt wurde.
Nur die sofortige Stillegung der Anlage kann weitere Störfälle verhindern. Die Reaktoren der RBMK- Baureihe müssen sofort stillgelegt werden, ebenso alle graphit-moderierten Reaktoren im Westen. Andere Atomanlagen müssen umgehend folgen: Es gibt keine absolut sicheren Atomkraftwerke — nur unsichere und solche, die noch unsicherer sind!
Es gilt nun, von der Bundesregierung und der EG zu fordern, keine weiteren Gelder mehr für die Atomenergie auszugeben. Die freiwerdenden Mittel müssen umgehend im Rahmen einer „Europäischen Energiesparcharta“ für Projekte in Ost- und Westeuropa zur effizienten Energienutzung und Energieeinsparung verwendet werden. Die Technologien sind vorhanden.
Es geht um die Sicherheit der Menschen in ganz Europa, nicht um die Sicherheit der Gewinne der Atomindustrie. Dies sei den Herren Töpfer und Riesenhuber an die Türen ihrer Ministerien geschrieben! Jutta Braband, Umweltpolitische Sprecherin der Linken Liste/PDS im Bundestag
Nur die sofortige Stillegung aller Reaktoren des Tschernobyl-Typs RBMK kann weitere Katastrophen verhindern. Es ist, als wenn in eine Turnhalle ein Reaktor eingebaut wäre. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß andere Bauarten ihr eigenes spezifisches Störfallprofil haben. Sie sind deshalb nicht wesentlich sicherer — auch nicht im Westen. Nachrüstung mit westlicher Technik konnte nicht verhindern, daß in Tschernobyl II die Abschaltautomatik versagte. Westliche Sicherheitstechnik wird auch keinen schweren Störfall im AKW Kosloduj in Bulgarien verhindern können. In allen graphit-moderierten Reaktoren des Westens sind ähnliche Störfälle wie in Tschernobyl möglich. Auch in Druckwasserreaktoren sind Störfälle möglich — siehe Harrisburg, siehe Biblis-A. Alle Atomanlagen müssen stillgelegt werden.
[...] Statt Geld für weitere, fragwürdige Sicherheitstechnik auszugeben, sollte umgehend im Rahmen einer „Europäischen Energiesparcharta“ der Ausstieg aus der Atomenergie in Ost- und Westeuropa in Angriff genommen werden. In der Bundesrepublik ist er sofort möglich. Durch effiziente Energienutzung und Energieeinsparung kann eine umweltfreundliche, sozialverträgliche und ressourcenschonende Energieversorgung verwirklicht werden. Die Technologien sind vorhanden — allein der politische Wille fehlt. Wolfgang Kühr, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie der Grünen
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