: Iranische Mullahs gehen mit Dollars auf Wettbewerbskurs
■ Außenhandelsfreigabe, Reprivatisierung und Subventionsstreichung/ Rial soll Hartwährung werden
Teheran (dpa/vwd) — Die iranische Wirtschaft soll sich dem Weltmarkt öffnen: Zwei Jahre, nachdem Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani mit einem wirtschaftlichen Reformprogramm antrat, steht der persische Rial vor seinem ersten Härtetest. Von heute an werden iranische Banken und ihre Niederlassungen in den arabischen Golfstaaten den Rial wie harte Devisen einsetzen. Zentralbank-Gouverneur Mohammed Hossein Adeli hat Anweisung gegeben, Kreditbriefe nicht mehr wie bisher in Dollar oder anderen Hartwährungen, sondern auf Wunsch in Rial zu eröffnen. Später sollen iranische Banken weltweit die Landeswährung harten Valuten gleichstellen.
Der Härtetest in der Golfregion ermöglicht es Geschäftsleuten zum erstenmal, außerhalb der Landesgrenze mit dem Rial zu bezahlen. Die Banken legen dabei einen Kurs für den US-Dollar von rund 1.400 Rial und für die D-Mark mit über 800 Rial zugrunde. Dieser Kurs gilt als der realistischste von drei bestehenden Umtauschraten und ist die Basis für die meisten Handels- und Finanztransaktionen.
Zentralbank, Regierungsmitglieder und Finanzexperten sprechen immer häufiger davon, die unterschiedlichen Kurse zu vereinheitlichen. Dafür gilt diese sogenannte Floating-Rate bereits als Favorit. Zentralbank-Gouverneur Adeli hatte im Januar dieses Jahres das Wirrwarr von einem Dutzend verschiedender Umtauschmöglichkeiten auf drei reduziert. Neben dem Floating-Kurs existieren noch ein sogenannter Wettbewerbs-Kurs (ein Dollar gleich 600 Rial) und der offizielle Kurs (ein Dollar gleich 68 Rial). „Die wirtschaftliche Logik spricht für einen einzigen Umtauschkurs“, sagt Adeli, der auf Investitionen hofft. Ein iranisches Wirtschaftsmagazin bescheinigte soeben Rafsandschani respektable Anfangserfolge bei der Bewältigung der ökonomischen Krise. Marksteine der Reformen sind die fast völlige Freigabe des Außenhandels, die begonnene Reprivatisierung von Hunderten nach der islamischen Revolution 1979 verstaatlichten Betrieben und die Streichung von zahlreichen Subventionen. Die Umstellung in Richtung Marktwirtschaft geht allerdings nur langsam voran, weil sich Politiker der Führung und des Parlaments, aber auch Kräfte innerhalb dieser beiden Gewalten, häufig erbittert bekämpfen.
Äußere Anzeichen einer allmählichen Erholung sind nach amtlichen Angaben ein Wirtschaftswachstum von über zehn Prozent, ein Hinunterdrücken der Inflationsrate auf neun Prozent, höhere Steuereinnahmen und eine nur geringe Staatsverschuldung im Ausland. Negativposten sind eine Arbeitslosenquote von mindestens 20 Prozent, die geringe Auslastung der Produktionskapazitäten, eine Agrarproduktion, die mit dem Bevölkerungswachstum von über 3,5 Prozent nicht Schritt hält, Mängel im Management und Korruption.
Viele Iraner mißtrauen den Daten der Zentralbank und der Regierung — vor allem, weil grundlegende Beschlüsse, die den Weg in die Marktwirtschaft unumkehrbar machen, wegen des Ringens zwischen Technokraten und islamischen Eiferern ausbleiben. „Ausländer sind hier zum Teil aktiver als einheimische Geschäftsleute, weil es bei uns zu wenig Vertrauen in die Führung gibt“, sagt ein Teheraner Händler. „Das beste Beispiel ist der Basar, die wohl immer noch stärkste wirtschaftliche Kraft im Land, der sich auffallend reserviert verhält.“
Der Zentralbankchef liegt zur Zeit in Fehde mit starken Kräften des Parlaments, die die Importe drosseln wollen. Adeli betont, daß die Wirtschaft der 60-Millionen-Nation ohne westliche Technologien und Know How gar nicht erst in Schwung kommen kann. Iran wird in diesem Jahr voraussichtlich für über 20 Milliarden Dollar importieren. Dem stehen geplante Ölverkäufe für 16 bis 17 Milliarden Dollar und Exporte von anderen Produkten für zwei Milliarden Dollar gegenüber. Der Fünf- Jahres-Plan erlaubt Kreditaufnahmen von jährlich durchschnittlich 5,5 Milliarden Dollar.
Schon jetzt wird der größte Teil der Aus- und Einfuhren mit Hilfe der Floating-Rate abgewickelt. Beim Import von Rohstoffen, Zwischenprodukten und Halbfertigwaren teilt die Zentralbank meist noch Devisen nach dem günstigeren Wettbewerbskurs zu. Der offizielle Kurs wird nur noch bei staatlichen Importen — in der Hauptsache bestimmte Grundnahrungsmittel oder lebenswichtige Güter — angelegt.
Die 200 bis 400 illegalen Geldhändler an der Fewrdowsi Street gegenüber der Zentralbank machen sich trotzdem keine Sorgen über die Folgen einer monetären Reform. „Wir werden immer im Geschäft sein“, sagt der 34jährige Soltani Resaeh. Viele Iraner, die für Auslandsreisen amtlich nur 1.500 US-Dollar zugeteilt bekommen, stocken ihren Mehrbedarf auf dem schwarzen Geldmarkt auf. Dafür müssen sie etwa 20 Rial pro US-Dollar mehr bezahlen. Resaeh und seine Kollegen haben unterdessen eine neue Gewinnmöglichkeit erschlossen. Von der nahegelegenen sowjetischen Botschaft fließen reichlich Rubel herüber — und die finden seit der Durchlässigkeit der nördlichen Grenze auch genügend Abnehmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen