Gletschermann im Labor

Mainz (ap/dpa) — Wissenschaftler aus vier Ländern haben bei einem Treffen in Mainz mit der wissenschaftlichen Auswertung der in Südtirol entdeckten, vermutlich 4.000 Jahre alten Gletscherleiche begonnen.

Wie der Innsbrucker Professor Konrad Spindler berichtete, wollen jetzt etwa 30 Wissenschaftler in zwölf Arbeitsgruppen die Proben untersuchen. „Mit fundierten wissenschaftlichen Ergebnissen ist nicht vor zwei bis drei Jahren zu rechnen“, sagte Spindler. Die Fachwelt verspricht sich von den Untersuchungen nach dem „frühbronzezeitlichen Leichenfund vom Hauslabjoch“ in Südtirol genauere Kenntnisse über die Bronzezeit. Die Arbeit an Ausrüstung und Bekleidung soll parallel zu den medizinischen und anatomischen Untersuchungen der Leiche in Innsbruck erfolgen. Rund 95 Prozent der Bekleidungs- und Ausrüstungsgegenstände, die bei der vor vier Wochen in einem Gletscher im österreichisch-italienischen Grenzgebiet entdeckten Leiche gefunden wurden, werden im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz restauriert und konserviert. Die Analysen werden fast alle wissenschaftlichen Gebiete einschließen: Archäologie, Botanik, Zoologie, Metallurgie, Medizin und Gewebekunde. Schwierig gestaltet sich die Auswertung nach Auskunft von Professor Konrad Spindler von der Universität Innsbruck vor allem deshalb, weil vorab geklärt werden müsse, was man untersuchen könne, ohne den weltweit einmaligen Fund, der bereits bei seiner Bergung beschädigt wurde, weiter zu beeinträchtigen. Von den guterhaltenen Fragmenten erhofft sich die Forschung wertvolle Aufschlüsse über das Leben in der Bronzezeit. Geklärt werden soll beispielsweise, mit welchen Gräsern der Mann seine Schuhe ausstopfte, von welchem Tier das Leder für Kleidung stammte, und wie es gegerbt wurde. Erst nach einer äußeren Analyse will man „in das Innere“ des Toten vordringen. Wegen des Wintereinbruchs mußte die Suche nach weiteren Gegenständen am Fundort eingestellt werden. Nach Abschluß der Grabungsarbeiten wurde Schmelzwasser in die Fundstelle geleitet, um möglicherweise noch verborgene Gegenstände des Gletschermannes zu schützen. Die Suche soll im Frühjahr fortgesetzt werden.