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Alle haben was gegen Müller

Strafverfahren gegen Müller-Milch: Laut Anklageschrift sind 5.000 Liter Sahne in die Schmutter geflossen/ Streit und Prozesse auch wegen „Wasserdiebstahl“, Verpackungspfand und Lärm  ■ Von Klaus Wittmann

Aretsried/Bonn/Augsburg (taz) — Seit Monaten äußert sich der Inhaber von Deutschlands erfolgreichster Molkerei, Theobald Müller aus Aretsried, nicht mehr öffentlich zu den Vorwürfen, die gegen sein Unternehmen erhoben werden. Doch für die am heutigen Donnerstag angesetzte Verhandlung vor dem Augsburger Strafrichter Joachim Rahlf wurde das persönliche Erscheinen von Theo Müller angeordnet, sagt Amtsgerichtspräsident Richard Brexel.

Müller wird beschuldigt, das Flüßchen Schmutter im Juni 1989 so stark verschmutzt zu haben, daß es in der Folge „zu einem erheblichen Fischsterben“ gekommen ist. Rund 5.000 Liter Sahne sind laut Anklageschrift in den Fluß geflossen. Die Firma hatte das als bedauerlichen Betriebsunfall bezeichnet.

Unabhängig vom Ausgang des Strafverfahrens stehen für die Großmolkerei die Zeichen derzeit auch sonst auf Sturm. Über einen Widerspruch der Firma Müller zum Bußgeldbescheid über 375.000 Mark wegen „Wasserdiebstahls“ muß das Verwaltungsgericht Augsburg entscheiden. Außerdem steht, ebenfalls beim Verwaltungsgericht, noch die Entscheidung zu einer Feststellungsklage im sogenannten „Pfandstreit“ aus. Wie berichtet, hatte das bayerische Umweltministerium das Landratsamt Augsburg angewiesen, Müller-Milch einen Pfandbescheid für die Produkte „Blutorangen- und Multivitamindrink“ zu schicken. Das Gauweiler-Ministerium ist nämlich der Auffassung, daß auf die Drinks in Halbliter-Plastikbechern 50 Pfennig Pfand zu erheben sind. Wie uns das Landratsamt Augsburg bestätigte, soll Müller-Milch Anfang nächster Woche der Bescheid zugestellt werden. Außerdem soll Müller verpflichtet werden, leere Becher wieder zurückzunehmen.

Nach Auffasung des bayerischen Umweltministeriums hat Müller- Milch die sogenannte „Zwangspfandverordnung“ mit einem simplen Trick umgangen, indem den Drinks kurzerhand 10 Prozent Süßmolke beigemischt wurde. Schon war ein „Lebensmittel eigener Art“ kreiert, das nach Ansicht der Firma nicht der Pfandverordnung unterliegt. Müller-Milch hat auch verbreitet, das Bundesumweltministerium sei mit der Firma einer Meinung, beide Drinks unterlägen nicht der Pfandpflicht. Unserer Zeitung wurde ein brisanter Brief des Bundesumweltministers Klaus Töpfer zugespielt. In dem Schreiben vom 10.Oktober 1991 an den „sehr geehrten Herrn Müller“ teilt Töpfer dem Milchbaron mit: „Auf die genaue Bezeichnung des Getränks kommt es aus abfallrechtlicher Sicht nicht an, ebensowenig auf Geschmacksverfeinerungen oder sonstige Essenzen.“ Außerdem läßt der Bundesumweltminister keinen Zweifel daran, daß die Zuständigkeit für die Durchführung den Bundesländern, im vorliegenden Fall also Bayern, obliegt. „Die vom bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen mir in dieser Frage vermittelte Auslegung, daß die von Ihnen in Verkehr gebrachten Produkte Blutorangen- und Multivitamindrink der Verordnung unterliegen, kann ich nur teilen.“ Bei Müller-Milch war trotz mehrmaliger Anfragen bis Redaktionsschluß niemand für eine Stellungnahme erreichbar.

Unabhängig davon hat inzwischen auch das Landratsamt Augsburg ein härteres Vorgehen gegen Müller-Milch angekündigt. Besonders folgenschwer für die Firma dürfte sich ein Bescheid auswirken, der aus einer großangelegten Lärmmessung des TÜV resultiert. Laut Josef Gediga, dem Leiter der Bauabteilung im Landratsamt, muß die enorme Lärmbelästigung bei der für Müller lebenswichtigen Milchannahmestelle in Aretsried umgehend beseitigt werden. Nach Überzeugung von Gediga kann nur eine Auslagerung der Milchannahme aus dem Ort Abhilfe schaffen.

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