Hamburger Kessel: Polizisten verurteilt

Bewährungsstrafen gegen leitende Polizeibeamten wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung im Amt/ Richter sieht „vermeidbaren Verbotsirrtum“ bei den Verurteilten  ■ Aus Hamburg Lisa Schönemann

Vier ranghohe Polizeiführer machten gestern in Hamburg böse Mienen zum guten Spiel. Die Große Strafkammer 2 des Langerichts befand sie im sogenannten Kesselprozeß der Freiheitsberaubung und der Körperverletzung im Amt für schuldig und sprach eine Verwarnung aus. Wenn der Landespolizeidirektor Klaus Rürup, der ehemalige Leiter der Bereitschaftspolizei Lothar Arthecker und der inzwischen pensionierte Polizeipräsident Alfred Honka sowie der jetzige Landespolizeidirektor und oberste Hamburger Polizist Heinz Krappen innerhalb einer Bewährungszeit von zwei Jahren erneut straffällig werden, müssen sie Geldstrafen zwischen 8.400 und 16.200 Deutsche Mark bezahlen.

Damit sie den berüchtigten Hamburger Kessel, bei dem im Juni 1986 über 800 Demonstranten auf dem Heiligengeistfeld der Hansestadt stundenlang von einer Polizeikette eingeschlossen wurden, nicht so schnell vergessen, müssen die angeklagten Beamten außerdem erhebliche Geldbußen — teilweise über 10.000 Mark — an gemeinnützige Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger überweisen.

Die vier Polizeiführer hatten sich in dem seit Januar laufenden Mammutprozeß wiederholt auf einen Verbotsirrtum berufen und außerdem berichtet, sie hätten bei den Demonstranten eine hohe Gewaltbereitschaft befürchtet und verhindern wollen, daß in der Innenstadt eine Art flächendeckender Glasbruch entsteht. Zudem hätten sie sich auf die ausdrückliche Billigung verlassen, die der damalige Hamburger Innensenator Rolf Lange ausgesprochen hatte, und auch einen diensthabenden Amtsrichter befragt. Ein Verwaltungsgericht hatte die polizeiliche Überreaktion gegen das Demonstrationsrecht später als rechtswidrig eingestuft.

Weil der Innensenator und sein Staatsrat Peter Rabels bisher leer ausgingen, beharrten die Verteidiger der Polizeiführer im Prozeß auf vier lupenreinen Freisprüchen für ihre Mandanten.

Daraus wurde nichts. Der kurzen mündlichen Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Hans-Joachim Röhse zufolge waren es überwiegend „friedliche Menschen“, die „unter schlimmen Umständen auf dem Heiligengeistfeld ausharren mußten“. Die Angeklagten hätten in einem „vermeidbaren Verbotsirrtum“ gehandelt, als sie die Polizeikette immer enger zogen und die Eingeschlossenen stundenlang ohne Nahrung und ohne eine Möglichkeit ihre Notdurft zu verrichten auf der Straße beließen.

62 als Nebenkläger auftretende Demonstranten von einst hatten im Prozeß geschildert, daß sie später unter Schlafstörungen und Alpträumen litten. Sowohl die Vertreter der Nebenklage (zahlenmäßig fast das gesamte Aufgebot politisch engagierter Strafverteidiger der Hansestadt Hamburg) als auch die Verteidiger der Polizeistrategie nutzten die ellenlangen Verhandlungstage zu erfrischenden Showdowns und Beschimpfungen, bis Richter Röhse mit den Armen ruderte. „Aber meine Herren...“

Die Staatsanwaltschaft hatte am Ende der Verhandlung lediglich eine Verurteilung wegen Freiheitsberaubung gefordert und auf Geldstrafen zwischen 8.000 und 10.400 Mark plädiert. Ob die drei Fraktionen im langwierigen Nachspiel des Hamburger Kessels das Urteil annehmen werden, war gestern noch fraglich. Der Schuldspruch fiel den einen zu mager und den anderen zu derbe aus.