Wolf Buhmann gegen Sascha Arschloch

■ Ex-DDR-Künstler bewältigen ihre Vergangenheit mit altbekannten Methoden / Wolf Biermann wirft dem Szenelyriker Sascha Anderson Spitzeltätigkeit für die Staatssicherheit vor und verzichtet dabei auf Begründungen

Berlin (taz) — „Nichts wird vergessen, alles wird verziehen“ erklärte Wolf Biermann, als er vergangene Woche den Büchnerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erhielt. Mit der Dankesrede aber wurde auch alte DDR-Wäsche gewaschen. In Darmstadt bezichtigte Biermann den früheren DDR-Lyriker Sascha Anderson, ein Stasi-Informant gewesen zu sein. Ein Vorwurf, der angeblich von dem Schriftsteller Lutz Rathenow kolportiert wurde und seit Wochen für Gesprächsstoff im ehemaligen Ostberliner Alternativ-Viertel Prenzlauer Berg sorgte. Im Originalton klang das so: „Rechtsanwalt Schnur, Waisenkind Böhme, Jutta Braband, Heimkind Monika Heger (Freundin von Bärbel Bohley,d.Red.), der hochbegabte Poet Heinz Kahlau, der sich nun entblößt und beknirscht hat, der unbegabte Schwätzer Sascha Arschloch, ein Stasispitzel, der immer noch den Musensohn spielt und hofft, daß seine Akten nie auftauchen.“

Der 'Spiegel‘ klappte nach, übersetzte Arschloch mit Anderson und lieferte ein Stasi-Aktenzeichen gleich mit. Sascha Anderson, der in der alternativen Kunstszene vom Prenzlauer Berg aktiv war und 1987 nach West-Berlin übersiedelte, dementierte gegenüber 'dpa‘ und der ZDF- Sendung „Kennzeichen D“: „Ich habe nicht für die Stasi gearbeitet.“ Auch habe er nie Informationen in deren Auftrag beschafft oder weitergegeben. Anderson verwies darauf, daß die Gauck- Behörde mit der von Biermann genannten angeblichen Stasi-Nummer nichts anfangen könne. Die Bezeichnung AIM stehe für „Archivierter Informeller Mitarbeiter“ und besage nur, daß die Stasi in einem bestimmten Zeitraum Kontakt mit jemand hatte oder suchte.

Da das Stasiaktengesetz noch nicht vorliegt, kann derzeit nichts Näheres geklärt werden. Mithin ist die Beweislage mehr als dürftig. Auch gegenüber „Kennzeichen D“ weigerte sich Biermann beharrlich, seine Vorwürfe zu begründen. Das werde das Gericht klären, so sein stereotypes Ausweichen, als er mit Sascha Anderson vor seinem Konzert im Berliner Maxim-Gorki-Theater konfrontiert wurde. Die Szene war zugegebenermaßen gespenstisch. Ein verkniffener Biermann, weit entfernt von einem „Verzeihen, das sich ausschüttet vor Lachen“ (laut Büchner-Rede) und ein völlig bestürzter Sascha Anderson, der in alten DDR-Zeiten zweimal wegen Biermann-Liedern ins Gefängnis gewandert war. Anderson gehörte zur DDR-Aussteigergeneration der 80er Jahre, die sich im Gegensatz zur Biermann-Havemann-Generation nicht als explizit politisch verstand; dennoch war diese „Prenzlberg- Szene“ mit ihrem anderen Kulturbegriff den staatlichen Stellen ein Dorn im Auge.

Auf die Vorwürfe reagiert man in der ehemaligen DDR-Oppositionsszene verhalten. Der „Stil“ der Auseinandersetzung findet jedoch wenig Zustimmung. „Der Vorwurf steht im Raum“, so die ausgebürgerte Theaterregisseurin Freya Klier, „um das aus der Welt zu schaffen, müssen alle Unterlagen offengelegt werden“. Da in kürzester Zeit keine Klarheit geschaffen werden kann, so auch der ehemalige Jenaer Aktivist und heutige Fernsehjournalist Roland Jahn, sei die Auseinandersetzung, wie sie jetzt laufe, nicht akzeptabel. Selbst Freunde hatten Biermann im Vorfeld der Preisverleihung gefragt: „Gehst Du nicht zu weit?“ Birgit Meding