Mord und Totschlag jugendfrei

■ Film für Twin-Peaks-Einsteiger: „Der Riese sei mit Dir“, RTL plus, 20.15 Uhr

Mit einem hundsgemeinen „Cliffhanger“ wurden die US-FernsehzuschauerInnen im vergangenen Jahr in die Twin Peaks-Pause entlassen: Beim Öffnen der Tür zu seinem Hotelzimmer wurde FBI-Agent Cooper von drei Kugeln getroffen, unmittelbar bevor der Nachspann einsetzte. Mark Frost, Autor und Regisseur dieser Episode, ließ das Publikum vorläufig im ungewissen darüber, ob der Kriminalist abgetreten war, ohne je sein geliebtes Tibet besucht zu haben. Hierzulande brauchen die Twin Peak-Fans nicht lange auf die Lösung des Rätsels zu warten. Heute abend zeigt RTL plus mit Der Riese sei mit Dir den Pilotfilm zur zweiten Serienstaffel, der über das Schicksal des leidenschaftlichen Kaffeetrinkers Cooper Aufklärung bringen wird.

Nach Angaben des Kölner Senders verfolgen gut zwei Millionen Zuschauer regelmäßig die allmähliche Aufklärung des Mordes am verdorbenen Engel Laura Palmer. Nachdem der Name des vermeintlichen Täters durch die Presse geisterte und in spielverderberischer Absicht von Sat.1 per Videotext verbreitet wurde, war zunächst ein verheerender Einbruch der Einschaltquoten befürchtet worden. Der jedoch blieb aus; bei der vorletzten Folge war sogar ein Anstieg auf 2,9 Millionen Zuschauer zu verzeichnen. Das verwundert kaum, denn anders als bei gewöhnlichen Fernsehkrimis spielt der Name des Mörders bei Twin Peaks eher eine Nebenrolle.

Auch wenn die Fortsetzungsgeschichte nicht die „TV-Revolution“ ist, die eine auf Superlative versessene Presse angekündigt hatte: Twin Peaks fasziniert jedoch wegen seiner zwischen Skurrilität und Abnormität angesiedelten Charaktere, bizarren Humors und des außerordentlichen Geschicks der Autoren, Mord, Totschlag und sexuelle Exzesse beinahe jugendfrei auf den Bildschirm zu bringen.

Diese Qualitäten zeigen sich beispielhaft in der heutigen Folge, die den Fortschritt der Handlung mit einer Art Zwischenbilanz verbindet und damit trefflich geeignet ist für Neueinsteiger oder jene, die zwischenzeitlich einige Sendungen verpaßt haben.

Eine der witzigsten Figuren, der bissige FBI-Pathologe Albert Rosenbauer, kehrt an den Ort des Verbrechens zurück, was den sensiblen Polizisten Andy prompt in panikartige Zustände versetzt. Ein gespenstischer Riese kommt ins Spiel, der drei rätselhafte Hinweise zur Lösung des Verbrechens gibt. Ben Horne möchte sich als Inhaber des Bordells „One-Eyed Jacks“ persönlich von den Fähigkeiten einer neuen Mitarbeiterin überzeugen. Er ahnt nicht, daß es sich bei der jungen Frau um seine Tochter Audrey handelt. Diane indes schweigt und lauscht den Worten Dale Coopers...

David Lynch inszenierte die Episode, wie schon die ersten beiden Serienfolgen. Gemeinsam mit Mark Frost gehen das Konzept und die Produktion von Twin Peaks auf sein Konto.

Harald Keller