Keine Einigung über europäische Armee

Bonn (ap/taz) — Die Außen- und Verteidigungsminister der Westeuropäischen Union (WEU) haben sich noch nicht über Konzept und Auftrag einer künftigen europäischen Armee geeinigt. Nach knapp vierstündigen Beratungen in Bonn sprach Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher gestern zwar von Annäherungen in puncto künftiges Verhältnis der WEU zur Nato und zur angestrebten Europäischen Politischen Union. Wichtige andere Fragen müßten aber noch entschieden werden.

Laut Genscher wird sich der Ministerrat der WEU, der alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme von Dänemark, Griechenland und Irland angehören, auf seiner nächsten regulären Sitzung am 18. November in Bonn erneut mit dieser Frage befassen. Es sei aber deutlich geworden, daß alle WEU-Staaten zu einem Erfolg des EG-Gipfels am 9. und 10. Dezember in Maastricht beitragen wollten, der außer der Wirtschafts- und Währungsunion auch die Politische Union mit gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik beschließen soll.

Zur Definition der künftigen Rolle der WEU gibt es zwei Vorschläge, die sich vor allem im Verhältnis zur Nato unterscheiden. Ein britisch-italienischer Vorschlag geht davon aus, daß WEU-Truppen ausschließlich für Einsätze außerhalb des Nato-Territoriums gebildet werden und die Nato die alleinige militärische Zuständigkeit für Europa behält. Eine deutsch-französische Initiative dagegen geht von WEU- Truppen aus, die in Abstimmung mit der Nato in Europa operieren, und klammert außereuropäische Aktionen ausdrücklich aus.

Nach den Vorstellungen von Bonn und Paris soll die WEU zum militärischen Arm der Europäischen Politischen Union ausgebaut werden. Ein großer deutsch-französischer Streitkräfteverband soll Kern einer europäischen Armee werden. Genscher sagte, bis zur WEU-Ministerratssitzung Mitte November solle versucht werden, die Standpunkte weiter anzunähern.

Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Gerhard Stoltenberg gibt es schon erste positive Reaktionen von WEU-Staaten auf die deutsch-französische Einladung, sich an dem gemeinsam geplanten großen Streitkräfteverband zu beteiligen. Der militärische Auftrag dieses Verbandes sei bewußt noch nicht formuliert worden, damit mögliche weitere Partner an dieser Formulierung mitwirken könnten. itz