: Eine Ministerin im Visier von Dunkelmännern
Nordrhein-Westfalens Wohnungsbauministerin Ilse Brusis ist das Ziel einer Kampagne aus den eigenen Reihen / SPD in tiefer Depression und Krisentaumel/ Presse und Opposition werden gezielt mit angeblichen Verfehlungen der Ministerin gespickt ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
25 Jahre sind sie nun in NRW an der Macht. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr bieten die in der Bonner SPD-Baracke gern als NRWlinge verspotteten Sozis zwischen Rhein und Weser ein Bild des Jammers. Von einer „depressiven Phase“ spricht inzwischen selbst der SPD- Fraktionschef Friedhelm Farthmann. Tatsächlich hat die Regierung von Ministerpräsident Johannes Rau, der 1994 so gern Bundespräsident würde, im ersten Jahr nach dem letzten großen Landtagswahlerfolg Flop auf Flop produziert. Es begann mit der Demontage des liberalen Innenministers Herbert Schnoor über die Frage des Bleiberechts für Roma durch das eigene Kabinett. Danach folgte ein von Arbeitsminister Hermann Heinemann vorgelegtes Kindertagesstättengesetz, das alle Beteiligten gleichzeitig gegen die Regierung aufbrachte. Vor ein paar Wochen kam dann der K.o.-Schlag für das Kultusministerium in Form des Kienbaum-Gutachtens zur Schulsituation. Ohne eine „Grundsanierung“, so lautete das Fazit der Gutachter, ist das NRW-Schulsystem nicht mehr zu retten. Verglichen mit dieser Herkulesarbeit erscheint das jüngste landespolitische Konfliktfeld, der Streit um die „feindliche Übernahme“ von Hoesch durch Krupp, geradezu als ein leicht zu löschendes Feuerchen. An Kultusminister Hans Schwier (65), Heinemann (63), Schnoor und Wirtschaftsminister Günter Einert (61) denkt Farthmann, wenn er von dem „Generationswechsel“ spricht, der in den nächsten Jahren in der Regierung bevorstehe.
Ginge es nach dem Willen einiger SPD-Fraktionsmitglieder und der CDU-FDP-Opposition, dann müßte die amtierende Wohnungsbauministerin Ilse Brusis, von Rau im Sommer 1990 ins Kabinett berufen, auch gleich ihre Koffer packen. Weil aber in der Landtagsfraktion dafür derzeit keine Mehrheit in Sicht ist, wird verdeckt geschossen. Zu den Anti-Brusis-Frondeuren zählt nach Informationen aus der SPD-Fraktion der parlamentarische Geschäftsführer Gerd Wendzinski und der Dortmunder SPD- Abgeordnete Karl Böse, der Anfang Oktober eine Klausurtagung des Fraktionsvorstandes nutzte, um den ersten Stein zu werfen. Als es um die Sparmöglichkeiten des mit 110 Milliarden DM hoffnungslos überschuldeten Landes ging, rief Böse in den Raum: „Bauministerium ist überflüssig.“ Das war's. Niemand ging darauf ein — und dennoch hatten Böse und seine Mitstreiter erreicht, was sie wollten: die Aufnahme des Zwischenrufs ins Protokoll. Das wiederum wanderte schnell zu einer Regionalzeitung, die schlagzeilte: „SPD-Fraktion: Bauministerium ist überflüssig“.
Parallel dazu meldete sich aus dem Ministerium für Bauen und Wohnen (MBW) ein „MBW-Intimus“, ebenfalls Genosse, zu Wort. Er spickte Journalisten und CDU zugleich mit intimen Details und lieferte sogleich „einige Hinweise, wie Sie Frau Brusis vermutlich noch in die Knie zwingen können“.
Brusis steht einer Administration vor, die zuvor zum Ministerium für Verkehr und Stadtentwicklung gehörte. Eine Zellteilung, die etwa 60 Neueinstellungen nach sich zog und einiges kostete. Darauf zielte Frage Nummer 11 des „MBW-Intimus“. „Fragen Sie, wie viele Wohnungen zusätzlich gefördert werden könnten, wenn die zusätzlichen Ausgaben für Personal und Sachkosten gespart worden wären.“ Am besten sei es, so der Informant an den WDR, am 25.10. zu senden, denn „dann erwischen Sie Frau Brusis günstig, da sie am 27. Oktober nach Rußland fliegen will“. Schon am 18.10. durfte ein CDU-Politiker vor der WDR- Kamera vorrechnen, daß man für die Mehrkosten „150 bis 200 Wohnungen“ zusätzlich hätte bauen können. „Bis heute“, so der WDR-Kommentator, sei Brusis „den Beweis schuldig geblieben, wofür sie eigentlich die neuen Mitarbeiter braucht“. Darüber ließe sich streiten — die Wohnungsförderung stieg unter Brusis immerhin erheblich an —, doch die Art, wie die Kampagne jetzt läuft, zeigt, daß es um sachlichen Streit längst nicht mehr geht. Während Brusis im Sommer von der Opposition wegen der Lieferung von wahlkreisbezogenen, wohnungspolitischen Bilanzen ausschließlich an die SPD-Abgeordneten zu Recht gescholten worden war, schütten jetzt Leute aus dem Hinterhalt Kübel von Dreck aus. So schreibt der MBW-Intimus: „Fragen Sie doch einmal nach, mit wessen Flugzeug (siehe Späth) Frau Brusis im Sommer 1990 nach Norderney zur Jahrestagung der Archtiktenkammer geflogen ist...“ Bei dieser Information schlug die sonst so wortgewaltige Opposition nicht an. Vielleicht deshalb: Im von der Architektenkammer gecharterten Flugzeug saßen neben der Ministerin die wohnungspolitischen Sprecher(innen) aller Fraktionen. Während das Ministerium — nach mehrmaligem vergeblichen Bitten um die Rechnung — am 11.2. die Flugkosten erstattete, flogen die Parlamentarier allesamt umsonst. Deren Vorträge wurden von der Architektenkammer zusätzlich fürstlich entlohnt. Ob auch der SPD-Abgeordnete zugriff, steht dahin. Er weilt derzeit in Moskau. CDU-, FDP- und grüne Volksvertreter langten jedenfalls zu. Eine — zumindest beim Abkassieren — einige Opposition.
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