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Musik sehen, hören, riechen

■ Dacapo zum 222. / Benefiz für einen neuen Flügel: Konzert, Action und Auktion für den guten Zweck

„Ein Geflügelbein, zum ersten...“ Foto: K.W.

Es ging um den Flügel. Mit dem 222. Konzert begann der Dacapo- Verein, Geld für einen eigenen Bösendorfer Konzertflügel einzuspielen. Am Sonntag abend servierte Dacapo ein musikalisches Menü, genau besehen ein

kaputter Flügel,

Leute

konzertantes Omelette Surprise. Nach einleitenden Worten der Dacapo-Crew, Ingo Ahmels, Brigitte Schulte-Hofkrüger und Wolf Freise, gab es als Hors d'Oeuvre einen Klavierabend. Nach minutenlangem Konserven-App

laus vom Tonband betrat die Überraschung des Abends, die Bühne: Kultursenator und Gastpianist Henning Scherf.

Der trat auf im langen Schwarzen, verbeugte sich gemessen, nahm Platz, rückte umständlich den Hocker zurecht. Gespannte Stille. Dann das 12-Ton-Stück „Ovation“, das Hans Otte 1989 komponierte. Gut 12 Töne. Der Gastpianist erhob sich, verbeugte sich, trat ab. Original-Applaus.

Der Flügeldeckel wurde wieder zugeklappt. Willy Daum von der Bremer Shakespeare Company nahm auf dem Bösendorfer Platz, um sein kleines rotes Spielzeugklavier mit dem Stückchen „Oh, what a kiss“ zu überraschen. Auf einem aufgeblasenen Luftballon säuselte, wisperte und quietschte er zu Ehren des kleinen Pianos, vor dem er mitten auf dem großen Flügel saß, wie man es vom Peanut-Schroeder kennt. Die Improvisationen setzte Daum auf dem klingelnd scheppernden Klavierchen fort, bis er es rütteltend und schütteltend zur Rassel machte: Kein Instrument ist so klein, das es Mißachtung verdient hätte. Anschließend wühlte sich Stephan Möller am Bösendorfer in die Hammerklavier-Sonate von Beethoven, ließ die Hände in die Tasten sausen und stampfte in die Pedale. Es swingte geradezu, und manchmal weckte seine klare wilde Art zu spielen Anklänge an Kissenschlachten.

In der Performance „Fenix“ schritten die Musikhandwerker Ingo Ahmels, Benno Löser und Willi Daum in Overalls und Lederschürze im Foyer des Theaters zur Tat. „Fenix“ selbst, der legendäre schwimmmende Flügel, blieb unversehrt, aus seinen Lautsprechern drang die Begleitmusik. Ein altersschwacher Konzertflügel wurde sachlich, organisch, mit Gewalt und einem Schweißgerät, seziert — artökologische Instrumententsorgung. Auf Tellern rund ums Geschehen wurde Tasten-Schaschlik auf Saiten gespießt serviert, einige filzumspannte Hämmerchen bekamen eine Sauerkrautbeilage, andere wurden an ein Jackett geflickt. Nach einer guten halben Stunde war die Mahlzeit angerichtet. Ulrich Reineking-Drügemöller hatte das Amt, die entstandenen Objekte zu versteigern. Das Publikum fremdelte noch etwas mit den Sonderangeboten. Beim anschließenden Stiftungsessen wurde sicher noch über das eine oder andere Objekt verhandelt. Wieviel das 222. Konzert einbrachte, wurde bis Redaktionsschluß nicht bekannt.

Juan

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