Der Wille zur Pille

Keine Macht den Drogen? — Ham wer jelacht: Die Deutschen in den alten Bundesländern haben 1990 für 29,6 Milliarden Mark Arzneimittel gekauft, insgesamt 70 Milliarden Einzeldosen. Die Mittel wurden nicht nur zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt, sondern zum Teil für andere Zwecke mißbraucht: Spitzensportler zwingen sich mit Medikamenten zu immer neuen Rekorden. Durchschnittsmenschen greifen zu Pillen, um den Alltag zu bewältigen, Kinder werden mit Drogen auf Leistung getrimmt. Vor diesem Hintergrund veranstaltet die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) noch bis 7. November in Aachen eine Fachkonferenz zum Thema „Medikamentenabhängigkeit“. Prof. Karl-Artur Kovar vom Pharmazeutischen Institut der Uni Tübingen schätzte vor Journalisten die Zahl der Medikamentenabhängigen in der Bundesrepublik auf 400.000 bis 800.000. Laut Gerd Glaeske von der AOK entfallen fünf Prozent des Arzneimittelumsatzes auf Psychopharmaka. Rund 2,3 Millionen Deutsche nähmen täglich Schmerz- oder Beruhigungsmittel. Ditmar Weber, der Vorsitzende der DHS, forderte eine Beteiligung der Hersteller an den Kosten der Behandlung und Rehabilitation von medikamentenabhängigen Menschen sowie ein Werbeverbot für Psychopharmaka bei Ärzten. Stephan Doblinger