: Ein Abend ganz unter uns Wessis
■ Konejung und Schroth singen mit ihrem neuen Programm »Alles meins« das Hohelied der Westkultur
Um ihre lagebedingte Gelassenheit in Sachen »Einheit« waren die Rheinländer schon immer zu beneiden. Aus diesem fernen Landstrich, wo der Balkan bereits in Bonn-Beul beginnt, aus dieser Region, die unlängst zum letzten und wahren Wessi-Land wurde (Neid laß nach!!), sind dementsprechend keine erkenntnisleitenden Beiträge zur kritischen Auseinandersetzung mit der Einheit als solcher zu erwarten. Vielleicht waren Achim Konejung und Horst Schroth gerade wegen dieser thematischen Ostignoranz um so vieles erfolgreicher als die vereinigte Kabarett-Konkurrenz? Immerhin wurde ihnen — sicher von den (West)Deutschen und allem Zeitgeist zum Trotze — sogar der diesjährige Kleinkunstpreis verliehen.
Nun sind sie wieder da, die beiden prämierten »Gnadenlos Deutschen« Konejung & Schroth. Ihr neuestes Programm ist immer noch kein Treuhandprodukt, heißt Alles meins und handelt vom Teilenwollen. Oder auch vom Nichtteilenwollen jener saturierten Westdeutschen, die sich am »Spenderständer« ihrer Hausbank nicht so recht für eine bestimmte Not entscheiden können und dafür »angesichts kommender Verteilungskämpfe« ihre Flachbauvillen prophylaktisch mit infrarotsensor-gestützten Gartenzwergen absichern.
Nach einer kritischen Sichtung unseres italienischen Schuhwerks — denn an den Schuhen sollst du sie (noch!) erkennen! — erklären die beiden Wahlkölner den Mehringhof kurzerhand zur ostlerfreien Zone und versprechen uns gequälten Alt-Bundis endlich einmal »einen Abend unter uns Wessis!« (Sollen die Zonis doch in ihre Distel gehen!) Das Personal des zweistündigen Nummernprogramms der beiden Rheinländer ist dann auch vorzugsweise »made in West-Germany«. Ein pensionierter Bauschwabe verarbeitet sein Trümmertrauma mit Aufbauwut in den »Eff-en-els« und freut sich, daß sein Söhnchen vom Berliner Hausbesetzer zum Hauptstadt-Hausbesitzer aufgestiegen ist. Ein Brockdorf-Veteran hat nun endlich Frieden und Auskommen im Bioladen »Ackerschachtel« gefunden und muß sich neuerdings als Mitglied des alternativen Establishments mit den autonomen Boykottregeln für irakische Datteln herumschlagen.
Man kennt sie eben alle, die wunderbar auf die Bühne gebrachten kleinen Typen und großen Knallchargen von Konejung und Schroth. Den kleinen fehlsichtigen Bazillusphobiker mit der Umwelttasche vom Supermarkt, diesen Gymnasiallehrertyp mit Mitsubishi-Bus und Aussteigertraum, oder jenen Geld-Prediger aus der Bekennenden Kirche der Neureichen. Hin und wieder scheint es kaum möglich, daß auch jener Bio-Wurzel- Heini Achim Konejung sein soll (in einem dieser genial-getreuen Kostüme von Britta Hansen). Ob die Truppe, die da im Wechsel die Bühne betritt, nicht doch aus viel, viel mehr Leuten besteht?
Die Themen sind jedenfalls erfrischend altdeutsch und endlich mal wieder vereinigungsmäßig unbeleckt. Matthäi am Letzten läutet's in Köln anscheinend noch, wenn Yuppies beim abendlichen Kneipenzug »Energiebällchen-Schutzgelder für ihre Ruhe« zahlen und angesichts neuer ausländischer Konkurrenz selbst der deutsche Berber um seinen Arbeitsplatz fürchten muß! Über so marginale Probleme können wir Frontstädtler ja nur lachen. Nur dürfen wir's als Zwangsossis ja nicht. Um so mehr genießen wir da Alles meins! Denn wen auch immer Konejung & Schroth auf die Bühne schicken, er hat etwas Kluges zu sagen und herzerfrischend wenig für die Vereinigung übrig. Dieses neue Stück Ostdeutschland, dieses »völlig hospitalisierte Heimkind« will doch nun wirklich niemand haben und — »Wer einmal durch die Oder geschwommen ist, ist mit allen Wassern gewaschen« — so tauchen unsere Brüder und Schwestern in diesem Programm bis auf weiteres nicht auf.
Denn, Hand aufs Herz: Der alten BRD, in der man sich auskannte, wo oben noch oben und links noch links war, trauern wir doch alle irgendwie hinterher. Auch wenn wir's nicht laut sagen können!
Ganz mitfühlend teilen da Konejung und Schroth in unserem Namen wenigstens schon mal Bühne und Publikum in zwei Teile, denn irgendwie muß ja einmal ein Anfang gemacht werden, und so kann es schließlich nicht weitergehen. Wenigstens da sind wir uns einig — schon wieder dieses Reizwort! — und drum skandieren wir zum Abschied voll Wonne gemeinsam: »Ach wie war es ehedem/ in der BRD bequem!« Denn dieses Land war einmal klein. Und sollte auch nicht größer sein... Klaudia Brunst
Mehringhof-Theater, Gneisenaustraße 2a, bis 1. 12. mi.-so. 21 Uhr
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