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Atombock durfte gärtnern

■ Atomfirma sollte Genehmigungsakten selbst korrigieren

Frankfurt/Main (taz) — Hessens Ex-Umweltminister Karl-Heinz Weimar wird als Christdemokrat Gott dafür danken, daß er seit der letzten Hessenwahl auf der Oppositionsbank des hessischen Landtags sitzt — von der Regierungsbank wäre der begnadete Handballspieler nämlich spätestens heute tief ins politische Abseits gefallen. Wie ein Sprecher des Siemens-Brennelementewerks in Hanau gestern erklärte, sei die Firma Ende 1989 vom Umweltministerium gebeten worden, die ausgelagerten Genehmigungsakten (taz vom 8.11.) „vorsorglich auf Vollständigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls auf den aktuellen Stand zu bringen“.

Diese Nachricht aus dem Hause Siemens schlug gestern im Unterausschuß Atomanlagen des Landtags, der am Nachmittag wegen des Aktenskandals zusamengekommen war, ein wie eine Bombe. Unter Minister Weimar, der von den Vorgängen in seinem Hause „nichts gewußt“ haben will, wurden demnach Genehmigungsakten der zu genehmigenden Firma mit der Bitte um Korrektur ausgehändigt. Da drängte sich im Ausschuß auch dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Klemm der Verdacht geradezu auf, daß es sich hier um einen klaren Fall von „Atomfilz“ in der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde handele, gegen den der amtierende Umweltminister Joschka Fischer bereits mit internen Ermittlungen vorgeht. Für die Grünen im Landtag trägt Weimar die „volle politische Verantwortung“ für die offenbar gängigen Praktiken in seinem Hause, sagte der Abgeordnete Karl Kerschgens: „Von einem Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz unter Weimar kann nicht mehr die Rede sein.“

„Hoch spannend“ bleibt für die Grünen auch die Frage, welche Kenntnisse der Bundesumweltminister von den Praktiken im Hause Weimar hatte — „und ob er sie geduldet hat“ (Kerschgens). Fest steht jedenfalls, daß Töpfer seinen Amtskollegen Fischer von der „Staatsaktenauslagerung“ zur Firma Siemens noch kurz vor Aufdeckung der Affäre durch die Medien informierte und um „Aufklärung“ bat. kpk

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