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Moral und Macht

■ Die deutsche Entwicklungshilfe feiert ihren 30. Geburtstag

Moral und Macht Die deutsche Entwicklungshilfe feiert ihren 30. Geburtstag

Die Klagen sind so alt wie ihr Gegenstand selbst. Seitdem das „Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit“ am 14. November 1961 gegründet wurde, ringen Entwicklungshelfer die Hände. Was eigentlich ist Entwicklung, was Hilfe? Und was überhaupt stellt dieses Ministerium dar? Auch wenn es denn eines Tages überzeugende Antworten auf diese Fragen geben sollte — der Zweifel daran, daß die Regierung der zweitgrößten Handelsmacht der Welt tatsächlich selbstlos zugunsten der Schwachen handeln will, bleibt.

Die wichtigste Forderung an die Entwicklungspolitik muß heute sein, sich weniger wichtig zu nehmen. Die projektgebundene D-Mark aus dem Hause Spranger bringt nicht das universelle Glück — die Hölle auf Erden aber auch nicht. Sie ist, wenn sie einmal in einer Empfängertasche gelandet ist, genauso gewichtig wie jede andere D-Mark aus jeder anderen Quelle. Was sind schon die Mittel der Entwicklungspolitik im Vergleich zu den Milliardensummen, mit denen Dritte-Welt-Banken wie BCCI jonglieren, oder zu den verschlungenen Wegen des Welthandels insgesamt? Welcher Mensch, der die Verbesserung seines Lebensstandards plant, setzt eigentlich auf Entwicklungshilfe? Der „Ausgleich zwischen Nord und Süd“, den Entwicklungshifeminister Spranger wie alle Minister vor ihm beschwört, ist heute zunehmend eine Angelegenheit individuellen Glücks. Wer in Asien, Afrika oder Lateinamerika (und auch in Osteuropa) einmal in den Kreis jener Erwählten aufgerückt ist, der über Dollar oder D-Mark verfügt, der unter den Mächtigen seines Landes Freunde hat, der Auslandskontakte pflegt und sich in den internationalen Gepflogenheiten der Welt des Reichtums auskennt — der braucht keine Entwicklungshilfe mehr. Die Leittugend dieser schmalen Aristokratie ist, wie im Europa des Barockzeitalters, die prudentia — gesellschaftliche Geschicklichkeit als Garant der Macht. Gesellschaftliche Moral ist ihr fremd. Gleichwohl hält sie ein unangefochtenes Monopol unter den Modellen des sozialen Aufstiegs.

Entwicklungspolitiker, die demgegenüber auf die schönen Tugenden der Humanität setzen, können hiermit nicht konkurrieren. Wie die guten Geister, die mitten im dreißigjährigen Krieg vom ewigen Frieden träumten, machen sie die Erfüllung moralischer Ziele wie Demokratie oder die Einhaltung von Menschenrechten zur Bedingung für weitere Hilfe. Doch solange sie die dafür eigentlich nötigen Druckmittel nicht einsetzen können, bleiben ihre Appelle ungehört. Will die Entwicklungspolitik weiter auf dem schmalen Pfad der Moral wandeln, muß sie irgendwann in traditionelle Außen- und Machtpolitik umschlagen. Dann jedoch hätte sie ihr Ziel der Hilfe verfehlt. Dominic Johnson

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