Schulmäßiges Eishockey aus dem Osten

■ In der neugegründeten Eishockey-Bundesliga der Junioren sorgt der Nachwuchs des EHC Dynamo für Furore/ Damit das so bleibt, plant der Senat eine Internatsschule mit Schwerpunkt Eishockey in der früheren Medaillenschmiede KJS Heinrich Rauh

Hohenschönhausen. Warum sind die Ossis bloß so stark? fragen sich westdeutsche Eishockey-Manager verdattert beim Blick auf die Tabelle der Junioren-Bundesliga im Jahre eins ihres Bestehens. EHC Dynamo Berlin heißt dort der gegenwärtige Spitzenreiter bei den Jugendlichen unter 19 Jahren. Aber auch ES Weißwasser, der andere Club des exklusiven Zweierzirkels der früheren DDR, mischt vorne kräftig mit. Die sieggewohnte Bayern-»Mafia« aus Rosenheim, Kaufbeuren und Landshut muß um die Vormachtstellung bei den heranwachsenden Puckjägern fürchten.

Während die Nachwuchsförderung in der alten Bundesrepublik wie eine Stiefmutter behandelt wird, setzen die »Ossis« — wohl oder übel — auf Eigengewächse. Zugänge aus dem eigenen Talentschuppen sind wesentlich billiger als Importe aus Übersee oder Osteuropa. »Ich bin überrascht und stolz zugleich über den Erfolg unserer Junioren«, gesteht Dieter Waschitowitz, der Präsident der Hohenschönhausener Dynamos. Er weiß, daß der momentane Höhenflug seiner »Jungs« noch der Schulung im untergegangenen zweiten deutschen Staat zu verdanken ist.

In der Kinder- und Jugendsportschule (KJS) Heinrich Rauh, nahe der Spielstätte des EHC gelegen, fand der Dynamo-Talentschuppen nahezu professionelle Bedingungen vor. Obwohl Eishockey nur geduldet wurde, weil Stasi-Chef Mielke, der Herr und Meister aller Dynamo-Vereine, dabei gerne zusah, wuchsen die kleinen Kufenträger im gedeihlichen Ambiente der sportlichen Großnation auf. Neben acht Westimporten bilden heute 15 (!) waschechte Dynamos den aktuellen Zweitliga-Kader des Dynamo-Männerteams. Beim Lokalrivalen BSC Preussen aus Charlottenburg hingegen schwingt in der Bundesliga mit Marco Rentzsch lediglich ein (!) echter Berliner Stammspieler den Stock. »Wir wollen auch unter bundesdeutschen Profibedingungen unserem Konzept treu bleiben und als Berliner Mannschaft glänzen«, erklärt EHC-Präsident Waschitowitz, der eine 60prozentige Quotenregelung für Einheimische präferiert: der Rest des Bundesligakaders der Herren muß nicht von der Spree stammen.

Den Grundstein hierfür sollen die Junioren legen. Mit Frank Krause und Steffen Ziesche agieren zwei von ihnen bereits im zweiten Jahr bei den Alten in der Zweiten Bundesliga. Auch Torsten Kienaas, gerade dem Juniorenalter entwachsen und schon auf dem Sprung zum Nationalspieler, stammt aus dem eigenen Stall. Großtalente wie Moritz Schmidt, Holger Mix oder Sven Felski stehen Puck bei Fuß. »Zwei bis drei Junioren«, so Dieter Waschitowitz, »wollen wir in der nächsten Saison in die A-Herren einbauen.« Bald könnten es noch wesentlich mehr werden, denn acht Spieler der erfolgreichen Bundesliga-Junioren sind noch keine 18 Jahre alt und dürften somit noch in der Jugendliga starten.

Neuerdings wechseln sogar Vertreter anderer Eissportarten zum EHC über, was es früher nicht gegeben hat. »Wir waren in der DDR nur geduldet, gefördert wurden aber Eisschnell- und Eiskunstlauf«, erinnert sich Waschitowitz, der sich jedoch über die willkommene Blutauffrischung durch Sprinter und Kufenkünstler freut. Sie ist für ihn Bestätigung und Ansporn zugleich: »Um das richtige Umfeld zu bekommen, das man für eine gute Nachwuchsarbeit braucht, benötigen wir Sponsoren, eine soziale und berufliche Absicherung unseres Nachwuchses sowie sportliche Perspektiven in Richtung Profikader«.

Für die Ausbildung zum Eishockey-Profi soll — daran hat sich wenig geändert — die vormalige KJS Heinrich Rauh sorgen, in deren Räumen sich nunmehr eine Realschule befindet. Der Senat spielt in der früheren DDR-Medaillenschmiede mit dem Gedanken, an Ort und Stelle ein Sportinternat mit einem gesonderten Ausbildungszweig Eishockey ab der siebten Schulklasse einzurichten. Daran ist dem EHC Dynamo sehr gelegen, nur Ortsrivale BSC Preussen, so Dynamo-Chef Waschitowitz, »hat gewisse Vorbehalte«.

Dagegen kamen bereits Anfragen aus Hamburg oder Niedersachsen, wo Eltern ihren Kindern gerne eine solche Ausbildung in Hohenschönhausen finanzieren würden.« Bis dahin sieht sich Dieter Waschitowitz möglicherweise mit einem neuartigen Problem konfrontiert — wie verscheuche ich die Talentsucher anderer Clubs: »Es hat sich herumgesprochen, daß unsere Junioren seit geraumer Zeit an der Spitze der Bundesliga stehen. Da läßt sich so etwas nicht vermeiden.« Jürgen Schulz