KOMMENTARE: Amerikas Bewährungsprobe
■ Durch die Wirtschaftskrise wächst der Rechtspopulismus auch in den USA
Noch im Frühjahr — nach dem Golfkrieg — schien George Bushs Wiederwahl zum Präsidenten der USA reine Formsache. Ein halbes Jahr später gilt der Insasse des Weißen Hauses für viele längst nicht mehr als unschlagbar. Wenn die widerwillige Wachstumsrate nicht bald ansteigt — oder gar zu einer zweiten Rezession abtaucht —, wird George Bush in seinem Wahlkampf auf unerwartete Herausforderungen stoßen, von liberalen Demokraten wie von rechten Populisten. Beides zusammen könnte ihn am Ende eine zweite Amtszeit kosten.
Der erste, der die wirtschaftlichen Sorgen der Bevölkerung auszubeuten wußte, war David Duke. Auf den Ressentiments der weißen Opfer der Reagan-Jahre aufbauend, zimmerte der ehemalige Nazi und Ku-Klux-Klan-Anhänger im Bundesstaat Louisiana eine Wahlplattform zusammen, in der andere für die eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten verantwortlich gemacht werden. Das gesellschaftliche Opfer einer solchen rassistischen Strategie sind die Schwarzen. Doch kaum hat David Duke in Louisiana verloren, da droht bei den ersten Vorwahlen des Präsidentschaftsrennens in New Hampshire der ebenfalls reaktionäre Journalist Pat Buchanan gegen George Bush anzutreten: mit dem gleichen Anti-Steuer-, Anti-Quotierungs- und Anti-Einwanderungs-Programm wie David Duke, aber ohne dessen unrühmliche Vergangenheit. Und selbst der Verlierer von Louisiana wird sich in den nächsten Wochen überlegen, ob er nicht bei den Präsidentschaftswahlen als landesweit republikanischer oder unabhängiger Herausforderer Bushs auftreten soll. Der gesellschaftliche Nährboden für solche Rechtspopulisten war seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie so günstig wie heute. Nach einem Jahrzehnt der volkswirtschaftlichen Illusion melden Meinungsumfragen plötzlich einen völlig un-amerikanischen Pessimismus. Die Zukurzgekommenen der Reagan-Revolution sind schon länger wütend. Doch in dieser nichtendenwollenden Rezession haben Reallohneinbußen und Überschuldung nun auch zu einer wahren Angst- Attacke in der gesamten Mittelklasse geführt. Ein Teil von ihnen stimmte in Louisiana bereits mit dem sogenannten „white trash“ (der weißen Unterklasse) für David Duke und seine rassistische Schuldzuschreibung. Ein anderer Teil wählte — von George Bush und dem politischen Establishment beschworen — noch einmal das geringere Übel des demokratischen Kandidaten.
Wie sich diese jetzt von allen Parteien wiederentdeckte und neuumworbene Mittelklasse in einer anhaltenden Wirtschaftskrise politisch verhalten wird, ist die entscheidende Frage für die US-amerikanische Politik in den nächsten Jahren. Kurzfristig steht George Bush hier vor einem unerwartet schweren Wahlkampf. Längerfristig steht das politische System Amerikas vor seiner vielleicht größten Bewährungsprobe der Nachkriegszeit. Rolf Paasch, Washington
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