: Das Make-up der Generäle
Weil er die Militärregierung beim Wort nahm, mußte der thailändische Regimekritiker Sulak Sivaraksa fliehen ■ Von Dorothee Wenner
Die thailändische Militärjunta sorgt sich um ihr Image. Mitte November legte sie einen neuen Verfassungsentwurf vor, der die Voraussetzung für Wahlen im kommenden April schaffen soll. Daß es sich dabei um nichts anderes als den Versuch handelt, ihre Herrschaft mit einem legalen Anstrich zu versehen, um vom Westen akzeptiert zu werden, betont Thailands prominentester Regimekritiker Sulak Sivaraksa. Der mußte im September über Moskau ins schwedische Exil fliehen, um seiner Verhaftung zu entgehen.
Denn im Vorfeld der Weltbanktagung hatte der überaus populäre Soziologe, Politologe und Schriftsteller an der Thammasat-Universität in Bangkok eine aufsehenerregende Rede gehalten, in der er die Innen- und Außenpolitik der herrschenden Militärs scharf kritisierte. Die Junta, die angetreten war, Korruption, Amtsmißbrauch und diktatorisches Gebaren abzuschaffen, sei ebenso schlimm wie die Exregierung Chatichai, erklärte Sulak. Er verurteilte die Junta vor allem wegen der engen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit Birma und China. Ihre Geldgier bestimme den Waffenhandel mit diesen Regierungen; gegen lukrative Abholzkonzessionen lieferten sie in Lebensgefahr schwebende Flüchtlinge an die birmanische Militärregierung aus. Auch habe sich die Mehrheit der Bevölkerung Thailands einem ungebremsten Materialismus verschrieben, dem alles geopfert werde.
Dagegen appelliert Sulak an seine Landsleute, sich auf Werte der eigenen, thailändischen Kultur zu besinnen. „Thailand war nie eine Kolonie, und darauf sind wir sehr stolz. Arrogant schauen wir auf unsere kolonisierten Nachbarn, ohne zu merken, daß die Birmanen oder Tibeter viel mehr von ihrer Tradition bewahrt haben als wir. Mit allen Mitteln versuchen wir den Westen zu imitieren und haben das Geld zu unserer Religion gemacht. Würdelos kaufen und verkaufen wir alles, sogar unsere Töchter.“
Der 58jährige Sulak ist überzeugter Buddhist. In seiner Religion sieht er Chancen für Thailand, einen eigenen Weg in die Demokratie zu finden. Während die profan-weltliche Gesellschaft Thailands in einer komplizierten Hierarchie erstarrt ist, ermögliche der Buddhismus das gleichberechtigte Nebeneinander. Sulak betont, daß die buddhistische Lehre zudem einen unbedingten Respekt vor der Umwelt fordere, und weist darauf hin, daß junge Mönche zu den engagiertesten Umweltschützern seines Landes zählen. In Thailand, das vom Massentourismus gezeichnet ist, wo zur Zeit ökologisch überaus riskante Staudammprojekte geplant werden, wo noch viel mehr Golfplätze als in Ostdeutschland gebaut werden und in dessen Hauptstadt sich der Verkehr mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von sechs Stundenkilometern voranquält — da hat sich der „frühkapitalistische“ Umgang mit der Natur längst zu rächen begonnen. Sulak glaubt, der Moment, da Thailands Bauern die Zerstörung ihrer Reisfelder durch überdüngte Golfrasen in der Nachbarschaft nicht mehr hinnehmen werden, sei nicht mehr weit.
Seine Rede in der Thammasat-Universität hatten nur etwa 200 StudentInnen gehört, doch es gab einen Tonbandmitschnitt. Die Kassette gelangte in die Hände von Juntachef Suchinda. „Ich bin dem General unendlich dankbar“, kommentiert Sulak seine Flucht aus Thailand. „Ohne seine Mithilfe wäre meine Rede wirkungslos geblieben, denn die Studenten sind genau wie die Mehrheit der thailändischen Bevölkerung systematisch entpolitisiert worden. Durch meine unfreiwillige Ausreise jedoch fand meine Rede mittlerweile sogar internationale Beachtung, und in Thailand bin ich jetzt eine Art Held geworden.“
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