piwik no script img

Für Kenias Regierung wird es eng

Botschafter nach Bonn zurückgerufen/ Weniger Entwicklungshilfe zugunsten anderer Länder Afrikas?  ■ Aus Nairobi Bettina Gaus

Gegen die „wachsende Brutalität“, mit der Kenias Regierung gegen Oppositionelle vorgeht, hat die deutsche Bundesregierung in ungewöhnlicher Offenheit protestiert und ihren Botschafter in Nairobi Bernd Mützelburg zur Berichterstattung nach Bonn zurückgerufen. Beobachter erwarten, daß die harsche Kritik von Kürzungen im Bereich der Finanzhilfe begleitet sein wird und daß Bonn auf der Konferenz der Geberländer nächste Woche in Paris bereits ein entsprechendes Signal setzt.

Viel mehr als ein Signal kann es nicht sein: Kredite und andere Hilfsleistungen werden alle zwei Jahre in Regierungsverhandlungen bilateral vertraglich bindend festgelegt, und die nächste Runde dieser Gespräche steht erst im kommenden Jahr an. Dabei dürfte Kenia allerdings dann einen schweren Stand haben: Die neuen Kriterien, die Bonn zur Vergabe von Entwicklungshilfe herausgegeben hat, erfüllt die Regierung in Nairobi nicht. Sie sehen unter anderem die Beachtung der Menschenrechte und der Rechtssicherheit und die Beteiligung der Bevölkerung am politischen Prozeß vor.

Es ist allerdings denkbar, daß die wachsende politische Kritik der internationalen Öffentlichkeit am Regime von Präsident Daniel Arap Moi der Bundesregierung wirtschaftlich gut ins Konzept paßt: „Der Kuchen für Afrika wird nicht größer, sondern kleiner, vor allem wegen der Entwicklungen im Ostblock“, sagte ein deutscher Entwicklungsexperte in Nairobi. „Nach den Demokratisierungs- und Friedensprozessen in Ländern wie Mozambique, Angola und Äthiopien müssen sich jetzt mehr Staaten als vorher in die Mittel teilen.“ Ingesamt waren bereits vor den jüngsten politischen Entwicklungen in Kenia Kürzungen von zehn Prozent im Gespräch.

Für den Bereich der technischen Zusammenarbeit, der die verschiedenen Entwicklungsprojekte umfaßt, befürchten Fachkräfte sogar Einbußen von rund 30 Prozent. Das würde bedeuten: Keinerlei neue Projekte könnten gestartet werden, die Laufzeit bereits bestehender würde in einigen Fällen verkürzt.

Eine Verschlechterung der Beziehungen zu Naibori könnte die deutsche Wirtschaft gut verkraften — im Gegensatz zur kenianischen. In der Rangliste unserer Hansdelspartner bringt es Kenia gerade auf Platz 66 bei der Ausfuhr und Platz 73 bei der Einfuhr. Dagegen stand die Bundesrepublik 1990 an vierter Stelle der Lieferländer und sogar an zweiter Stelle der Abnehmerländer des afrikanischen Staates. Was für den Handel anderer Länder der Dritten Welt mit Industrienationen gilt, trifft auch hier zu. Exportiert werden vor allem Naturprodukte, importiert werden Industrieerzeugnisse wie Maschinen, Fahrzeuge und Chemieprodukte. Die Statistik weist ein Handelsbilanzdefizit von 1,2 Milliarden US-Dollar aus: Kenia gibt doppelt so viel für Importe aus, wie es an Exporten verdient.

Ausländische Investoren haben in den letzten Jahren das Interesse weitgehend verloren: Von zwölf japanischen Firmen, die vor zehn Jahren hier ansässig waren, sind gerade noch zwei übrig geblieben — und eine davon plant jetzt den Rückzug. Demgegenüber nehmen sich die 80 deutschen Betriebe, unter ihnen die Chemiegiganten Henkel, Hoechst, BASF, Bayer und Beiersdorf, die in Kenia arbeiten, eindrucksvoll aus. Aber nur auf dem Papier: Neuinvestitionen sind seit 1988 so gut wie gar nicht mehr getätigt worden. Geschäftsleute beklagen Korruption, bürokratische und zolltechnische Hindernisse und vor allem eine Verzögerung des Gewinntransfers: Der dauert anderthalb Jahre — angesichts des Kursverfalls des kenianischen Schillings um etwa 70 Prozent in den letzten zwei Jahren eine verlustreiche Zeitspanne.

Der größte Devisenbringer Kenias ist in diesen Daten überhaupt nicht erfaßt: der Tourismus. Die Deutschen stellen mit 140.000 Besuchern im Jahr die größte Gruppe ausländischer Reisender. Wenn die infolge der Repression und der Unruhen ausbleiben, verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation der Bevölkerung weiter — und dann dürfte das, Beispiele in anderen Ländern haben es gezeigt, mehr Menschen demonstrierend auf die Straße bringen als noch so harte politische Unterdrückung. Für Kenias Ein-Parteien-Regierung wird es eng.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen