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Der freundliche Fetisch

■ Das Designmöbel dienst als Objekt für die Identitätsfindung von Designern und Konsumenten

Das Designmöbel dient als Objekt für die

Identitätsfindung von Designern und Konsumenten.

VON CORINNA RAUPACH

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as Sofa ist feuerrot mit schottischem Karo-Muster, seine Rükkenlehne ist gerade halb so breit wie die Sitzfläche. Während ich an Dudelsäcke und Kilts denke und mich frage, mit welchen Kreuzschmerzen die auf den Außenkanten Sitzenden einen gemeinschaftlichen Fernsehabend überstehen sollen, schwärmt die Galeristin von der Originalität dieses Objekts, fühlt sich aus unerfindlichen Gründen an Pudelschenkel erinnert und ist ganz begeistert von der Bequemlichkeit des Möbels.

Über uns klirren leise die Glasscherben des Kronleuchters — in der Wohnung im ersten Stock hat sich jemand bewegt. Wie Eis glitzern die Glasstückchen an den Drähten im Licht der Glühbirnenkette in ihrer Mitte. Auch in dem von ihnen gehaltenen runden Sieb liegen durchsichtige Scherben. Alle Bestandteile dieser filigranen Leuchte hat die Gestalterin „irgendwo gefunden“. Sie konstruiert ihre Möbel stets aus Gegenständen, die sie als Strandgut oder als Schrott aufgelesen hat. „Design als Recycling ist im Kommen“, meint der Designer Herbert Jakob Weinand. Auch der ausgestellte Frisiertisch wurde aus ehemaligen Apfelsinenkisten geschaffen, die Wände eines ovalen Wandschranks bestehen aus lila gelackten Unterhölzern.

„Art leggiero“ heißt die Ausstellung der Galerie Weinand, die unter anderem noch Plastiken im End-Art-Stil und Keramiken von Elvira Bach zeigt. „Leggiero heißt laut Lexikon leicht, anmutig, leichtsinnig, ungezwungen, perlend“, sagt die Galeristin. „Das ist es auch, was wir zum Ausdruck bringen wollen, wir wollen das Spielerische im Design hervorheben.“ Die Galerie stellt grundsätzlich nur Objektdesign aus, also nur Einzelstücke, keine Serien oder Industriedesign. Deren Gebrauchswert liegt nach Elvira Bachs Worten im allgemeinen sogar höher als der von Möbeln von der Stange: „Da müssen sich die Designer doch immer nur fragen, wie ein Stuhl am besten in eine massenreproduzierbare Form zu bringen ist, und nicht, ob man darauf auch gut sitzen kann.“

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Herbert Jakob Weinand selbst denkt beim Kreieren in den seltensten Fällen an die spätere Nutzungsmöglichkeit. „Was zählt, ist die Idee. Wer die nachher verwenden oder ob man sie auf Din- Norm bringen kann, ist eine Frage für Industriedesigner.“ Seine Ideen kommen ihm meist per Assoziation, auch ein Stück Provokation darf dabei sein. Mit einem Schminktisch namens „Pershing“ etwa, auf Raketenfüßen mit passendem Hocker, holt er die atomare Aufrüstung in die gute Stube. Ein Teil mehrmals anfertigen zu lassen langweilt ihn. Sein Leuchter „Noto“, eine rasante Edelstahlkonstruktion mit Neonleuchten, ist so beliebt, daß er ihn mittlerweile schon fast nicht mehr sehen kann.

„Form follows function“ bleibt aber weiterhin das Credo des guten Designs. „Vor allem ist es wichtig, daß die Sachen richtig funktionieren“, sagt der Designer Manuel Pfahl, der die Galerie Adus unterhält. Er bevorzugt schlichte, klassische Formen, hochwertige Materialien und sorgfältige Verarbeitung, da Möbel nicht nach ein oder zwei Jahren schon wieder als unmodern ausgesondert werden sollten. In seiner Galerie ist kaum etwas zum sofortigen Mitnehmen, die KundInnen sind angehalten, anhand der ausgestellten Tische und Stühle eigene Vorstellungen zu entwickeln. Die Möbel werden dann nach ihren Wünschen angefertigt. „Jeder Tisch ist mit jeder Tischplatte oder in verschiedensten Lackierungen zu haben. Wenn jemand eine Ecke zusätzlich möchte oder eine ausgefallene Größe braucht, machen wir das“, sagt Pfahl. Manche Teile werden sogar mit den KundInnen zusammen entworfen. Einen elastischen Stahltisch mit Glasplatte beispielsweise hat er mit dem Optiker gemeinsam ausgedacht, der ein Modell für seinen neu zu eröffnenden Laden suchte.

„Berlinetta Industrial Design“ versucht sogar nach Möglichkeit, den Gegenständen eine zweite oder noch weitere Nutzungsmöglichkeiten zu geben, „aber nicht im Sinn des Nachttischs mit integrierter Kaffeemaschine“, sagt John Hirschberg. Der Hocker „Floh“ beispielsweise, ein nach Belieben aus Stahl oder Holz herzustellendes Möbel, ist als Hocker von beiden Seiten „besitzbar“: als Bodenmöbel zum Aufstützen in halbliegender Stellung zu verwenden und auch für Kinder zum Klettern oder Wippen geeignet. Auf einer Liege kann man sitzen und schlafen, vor allem aber ist sie so konzipiert, daß man auf ihr mittels einer Kopfstütze auf dem Rücken und durch ein absenkbares Teil auf dem Bauch liegend lesen kann.

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Der Trend zu Designmöbeln korrespondiert mit dem zunehmenden Hang zur Individualisierung. „Viele befinden sich auf dem Rückzug ins Private“, so Manuel Pfahl. „Das führt dazu, daß sie sich sehr bewußt einrichten und es richtig gemütlich haben wollen.“ Zum Beispiel seien es die einstigen StudentInnen leid, das von gutwilligen Verwandten gespendete oder bei schwedischen Möbelhäusern billig erworbene Mobiliar um sich zu haben. Sie entwickeln langsam ein Bedürfnis nach individueller Gestaltung der Wohnsituation. Auch merke er an seinen KundInnen, daß es eine gut verdienende Mittelschicht im Westteil Berlins gebe, die nicht ans Sparen denke. Auch die Galeristin in Weinands Galerie beobachtet, daß ihre KundInnen sich mit Dingen umgeben wollen, die ganz exklusiv zu ihnen passen, auf ihren Geschmack zugeschnitten sind und nicht in jeder Wohnung herumstehen. „Das hat auch etwas mit Fetischen zu tun, aber mit freundlichen“, meint sie. „Wir müßten wieder mehr mit Fetischen leben.“

Das Individualitätsstreben in dieser Gesellschaft führe sowohl zum Designen selbst wie auch zum Konsumieren von Design, sagt Stiletto Studios, übrigens kein Studio, sondern ein Künstlername. Angesichts des ständig drohenden Identitätsverlusts gebe es zwei Möglichkeiten, sich der eigenen Individualität zu vergewissern: Der High-End-Design-Konsument beweise sich selbst, indem er die „richtigen Sachen“ kaufe, sie „richtig“ arrangiere und das auch begründen könne. Da er nicht mehr fähig sei, mit anderen zu kommunizieren, umgebe er sich mit exklusiven Objekten, um sich eine Individualität zu suggerieren. Die andere Möglichkeit sei es, selbst kreativ zu sein und zu produzieren. Diese Kreativität könne geradezu zu einer Sucht werden und dränge auf zum Teil selbstzerstörerische Weise zur Produktion. Stiletto hat diese Phase weitgehend hinter sich. Jahrelang habe er Gegenstände über Gegenstände entworfen, wie den aus einem geklauten Einkaufswagen umgebogenen Stuhl „Consumer's Rest“, einen Beistelltisch mit integriertem Fernseher namens „TV-Dinner“ oder auch ein aus dem Stahl eines Atommeilers gefertigtes Eßbesteck „Ferro armato“. Einiges hätte noch kommerziellen Stellenwert, wie sein Glas „Champ“, bestehend aus einer abgeschnittenen Sektflöte, die in einen verchromten Schwanenhals geklebt wird. Dieses Glas war ein „Selbstversuch“, wie es Stiletto nennt, in dem er nach einer Produktionsweise gesucht hatte, die bei größtmöglicher Effektivität Lager-, Produktions-, Vertriebs- und Investitionsaufwand weitestgehend reduzierte. Er liebt dieses Glas über alles: „Es ist einfach, billig, schnell und platzsparend in der Herstellung, es ist ein verrücktes, absurdes, aber trotzdem funktionstüchtiges Objekt. Sein jüngstes Werk ist der Schrank „Hüben und Drüben“: Einen riesigen schwarzen Schrank hat er von beiden Seiten mit zwei mal drei Meter großen Postkarten vom Brandenburger Tor beklebt.

„Die Gegenstände sind jetzt nicht mehr wichtig“, so Stiletto, „das habe ich überwunden.“ Schon bei seiner Arbeit mit Möbeldesign sei es ihm nicht darum gegangen, eine neue Form der Dinge zu finden, sondern mit künstlerischen Mitteln Aussagen über den Stellenwert der industriellen Gestaltung zu machen. Insofern müßte seiner Meinung nach der Grundstock der Designausbildung viel weitergehend im Bewußtseinsbereich angesiedelt sein.

Ganz andere Probleme hat Jürgen Rachut, der mit seiner Firma Domestic Art im zweiten Hinterhof im Prenzlauer Berg residiert. Der Privatbetrieb war vor der Wende vor allem mit Inneneinrichtungen von Gaststätten und der Ausstattung von Museen oder historischen Gebäuden befaßt. Seit der Maueröffnung ist es dünner geworden mit der Auftragslage. „Wir machen im Moment viel Restaurierungsarbeiten, der Markt für Designmöbel ist hier nicht gerade üppig.“ Hier werden Möbel und Inneneinrichtungen nicht nur entworfen, sondern „wir machen alles, von der Skizze bis zur Fertigstellung“. Die fünfköpfige Belegschaft arbeitet viel im Team, häufig entstehen Ideen während der Arbeit am Möbel. „Wir schweben nicht in irgendwelchen Wolken, sondern wir wollen, daß sich die Leute darüber freuen, was wir hergestellt haben“, sagt der Designer. Was er entwirft, soll möglichst zeitlos elegant sowie vernünftig und in der Gestaltung den Wünschen und Bedürfnissen der KundInnen angepaßt sein. Ohne Schnickschnack.

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