Lenin in die Grube

■ Das Berliner Modell

Man kann sie mit Efeu und Wildem Wein überwuchern lassen, den Verpackungskünstler Christo beauftragen oder sie in ein Granitfigurenkabinett stellen. Vorschläge zum Umgang mit unliebsamen Denkmalen gibt es viele.

1947 zum Beispiel entwilhelminisierte man die Berliner Siegesallee, ließ die Herrscher Brandenburgs und Preußens von Albrecht dem Bären bis Kaiser Wilhelm I. samt Gefolge abmontieren und verscharrte sie im Bellevue-Park. Dem Lenin-Denkmal des sowjetischen Bildhauers Nikolai Tomski ergeht es jetzt nicht anders, der Kopf und erste Teile des in der Demontage befindlichen Rumpfes liegen bereits in einer Sandgrube des Stadtforstes Berlin-Köpenick.

Die Kriterien, die die Denkmalwürdigkeit eines Objekts ausmachen, sind abhängig von seiner historischen, der künstlerischen, wissenschaftlichen oder städtebaulichen Bedeutung. Eines dieser Prüfkriterien allein ist ausreichend, um das Objekt in die Denkmalliste aufzunehmen. Erst „höherrangiges öffentliches Interesse“ ermöglicht eine Änderung dieses Status. Im Interesse der Öffentlichkeit soll nun auch der Abriß Lenins sein. Der Senator für Stadtentwicklung des neuen, ganzen Berlins, Volker Hassemer, beruft sich bei seiner Entscheidung auf die gewählten Vertreter der Bezirke, die sich gegen das monströse Denkmal entschieden haben. Das Urteil über weitere bildhauerische Hinterlassenschaften der DDR wird nicht anders ausfallen. Monumente wie das für Thälmann an der Greifswalder Straße oder für Marx und Engels auf dem gleichnamigen Forum (beides Berlin) werden Lenin in seiner Sandgrube Gesellschaft leisten.

Die Grube allerdings soll nur Zwischenstation sein. Letzte Ruhe sollen die Genossen auf dem alten Gutshof im märkischen Dorf Buch finden, wo bereits die Reste des Berliner Stadtschlosses lagern.

Dennoch: Man hat aus dem Umgang mit Denkmalen gelernt: Mußte Landeskonservator Helmut Engel noch vor 10 Jahren die von seinem „Vorgänger“ (Engel) im Bellevue-Park verbuddelten Statuen ausgraben lassen — ein Fünftel der Figuren war gar nicht mehr aufzufinden —, konserviert man heute die Bruchstücke der überkommenen Denkmale sorgfältig. So warten die steinernen Herren auf die milde Einsicht der Geschichte, ohne Schaden zu nehmen.

Lilli Thurn und Taxis