: „Völlig anonym und ohne psychischen Druck“
■ In der DDR wurden Studien zur Abtreibung mit RU486 durchgeführt/ Ergebnis: kaum „Versager“
Das Hormonpräparat RU486 ist in deutschen Landen durchaus schon klinisch erprobt worden — und zwar Ende der 80er Jahre in der DDR: An der Universitätsfrauenklinik Greifswald wurden damals unter Leitung des Klinikchefs Professor Dr.Gunther Göretzlehner drei Studien durchgeführt — zwei mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und eine mit der Firma Roussel Uclaf, die nach der „Wende“ aber abgebrochen wurde. Göretzlehner hat über diese Tests jüngst in der 'Münchener Medizinischen Wochenschrift‘ ('MMW‘) berichtet. Demnach ging es bei der ersten Studie um die „Abortindikation“ bei Erstschwangeren zwischen 18 und 35 Jahren in der zehnten bis zwölften Schwangerschaftswoche. Das Präparat RU486 wurde zur „Zervixdilatation“ (Weitung des Gebärmutterhalses) gegen Plazebo geprüft.
Bei der zweiten Studie ging es um die Einleitung eines Aborts bis zum 42. Tag (siebente Woche) nach der Menstruation. Diese wurde ambulant an 50 Frauen durchgeführt. Anders als in Frankreich, wurde an der Greifswalder Uni- Frauenklinik RU486 alleine, ohne kontraktionsfördernde Prostaglandine, eingesetzt. Die aus Frankreich bekannten Nebenwirkungen, starke Schmerzen und/oder übermäßige Blutungen, traten nicht oder nicht so stark auf. Nur drei „Versager“ seien zu beobachten gewesen, als einzige Komplikation seien drei Dauerblutungen aufgetreten. „Neben der Effektivität konnten wir bei dieser Studie auch feststellen, daß die Frauen psychisch nicht so stark belastet waren wie nach einem klassischen Abbruch“, schreibt Professor Göretzlehner in der 'MMW‘.
Aufgrund seiner Erfahrungen mit der RU486 war er im Sommer 1990 noch ganz unbesorgt. In einem Interview mit dem SFB-Frauenfunk Zeitpunkte sagte er damals: „Die entsprechend gebildete Frau, die regelmäßig sonst beim Gynäkologen ist und über ihren Körper bescheid weiß, über eine Schwangerschaft informiert ist, könnte bei dem derzeitigen Kenntnisstand über das Mifepriston diesen Abbruch ohne Gynäkologen durchführen. Man kann sich in der Apotheke einen Schwangerschaftstest holen und ohne Gynäkologen feststellen, ob eine Schwangerschaft vorliegt. Und innerhalb der ersten sechs Wochen nach der letzten Regel könnte völlig anonym, also inoffiziell, ohne psychischen Druck, der Abbruch bei über 90 Prozent realisiert werden.“
Nach mehr als einem Jahr heftiger Diskussionen über das Abtreibungsrecht im einig Vaterland kann oder will sich der Greifswalder Gynäkologe an solche Äußerungen nicht mehr erinnern.
Natürlich, so Gunther Göretzlehner heute, dürfe die Abtreibungspille nur unter ärztlicher Anleitung eingenommen werden. Mehr will er im Moment partout nicht sagen — „keine Interviews“. Er geht nämlich nicht davon aus, daß die RU486 derzeit in Deutschland eingeführt wird. In der Diskussion habe man sich „zu sehr auf den Schwangerschaftsabbruch fixiert“, schreibt er in der 'MMW‘.
Statt dessen, so der Greifswalder Gynäkologe, solle man „vielmehr über die Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften diskutieren“, von denen ein Großteil, nämlich cirka 90Prozent, „mit etwas mehr Einsicht und Vernunft“ vermieden werden könnten. Für den verbleibenden Personenkreis könnte die RU486 eine Alternative sein, „betont werden muß jedoch, daß jede Frau den Abbruch selbst verantworten und auch entscheiden sollte.“
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