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Zuviel an Müll!

■ »Die alte Frau brütet« von Tadeuz Rozewicz im Maxim-Gorki-Theater

Eine alte Frau sitzt in einem Café und möchte mit ihren siebzig Jahren noch ein Kind gebären. Vor dem Café türmt sich ein Müllberg auf, und die Menschen drohen in diesem zu versinken. Doch das Leben geht auch im Müll weiter, und die alte Frau bekommt schließlich ihr Kind, kann es allerdings nicht finden, da es im Müll verlorengeht.

Das klingt erst einmal gut und hätte eine bissige Zivilisationskritik oder eine parodistische Weltuntergangsshow werden können. Doch leider findet weder das eine noch das andere statt: Auf der Bühne im Maxim- Gorki-Theater stehen fünf Caféhaustische nebst Stühlen in der Diagonalen, darüber Neonbeleuchtung, ebenfalls diagonal, und eine Fensterfront (Bühnenbild: Henning Schaller). Die alte Frau (gespielt von der gar nicht so alten Anna Else Paetzoldt) redet und redet und redet von ihren Gebärproblemen. Nebenbei läßt sie spüren, daß sie trotz der äußeren Aufmachung einer Pennerin auch ein dominanter Hausdrachen sein kann, und hält so den vollkommen devoten Kellner (Götz Schubert) unter ihrer Knute.

Ein paar farblose Personen treten auf und auch wieder ab, und dann wird das Fenster geöffnet, und der Müll rieselt herein. Der Kellner darf andeutungsweise (und jugendfrei) die alte Frau schwängern, und plumps ist die auch schon in den Wehen. Dafür wird von der Bühnentechnik ein überdimensionales Laken bereitgestellt, denn dahinter wird jetzt umgebaut. Und schon ist es da, das erwartete Bühnenbild: Müll, Müll und nochmals Müll.

Die alte Frau, die bisher in einem Schwall geredet hat, schweigt nun, und somit dürfen verschiedene illustre Personen in das Rampenlicht treten: drei Frauen in Badeanzügen, die sich sonnen, ein Blinder im Schnee (natürlich mit Stock und Sonnenbrille), ein Geiger, der nur seinen Geigenkasten durch die Gegend trägt, ein distinguierter Herr ohne Funktion, zwei Straßenfeger (in original BSR-Kostümen), die Brotzeit halten, und eine Horde Delegierter, die plappernd durch den Müll stampfen.

Immer wieder rieselt etwas vom Schnürboden (Papierschnipsel, Federn, Konfetti), und gegen Ende spielt eine Soldatenkapelle »Lambada«. Das Kind der alten Frau erscheint (ein ausgewachsener Bursche über zwanzig) und verschwindet auch gleich wieder in einem Loch. Die alte Frau sucht und findet ihn nicht, das Licht wird schummrig, erzwungene Ergriffenheit. Schluß, Ende, Aus.

Tadeusz Rozewicz konnte sich beim Schreiben seines Stückes anscheinend für keine eindeutige Form entscheiden.

So versucht er es am Anfang mit dem ernsten Drama, geht dann über in das Absurde Theater und endet schließlich in der Farce — leider ohne auch in einem einzigen Teil wirklich etwas zu sagen. So bleibt es bei Plattitüden und Phrasen und ohne Hinweis darauf, warum dieses Stück überhaupt geschrieben wurde.

Unter der Regie von Rolf Winkelgrund wirken alle Schauspieler/innen blaß und unterfordert. Selbst die wenigen Textstellen, die einen Hauch von Komik erahnen lassen, werden durch verklemmte Steifheit schlichtweg verschenkt. Und die Regieideen beschränken sich auf Badenixenchoreographie und Herumgekaspere mit einer Dose Rasierschaum.

So ist dieser Abend bieder bis trocken und strotzt mit seiner Länge von zwei Stunden ohne Pause vor allem mit Langeweile. Doch das Premierenpublikum im Maxim-Gorki- Theater, das anscheinend alles goutieren kann, klatschte ausgiebig. York Reich

Nächste Vorstellung am 4. Dezember im Maxim-Gorki-Theater

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