KriegsdienstgegnerInnen zu Besuch in der Kaserne

■ Aktion für den ersten Westberliner Totalverweigerer

Berlin/Eggesin/Rostock. Etwa sechzig KriegsdienstgegnerInnen aus Berlin und Rostock haben am frühen Sonntag abend die Kaserne des inhaftierten Kreuzberger Totalverweigerers Kai Vahl im mecklenburg- vorpommerschen Eggesin »besucht«. Vor der Kaserne des 2. Panzerartilleriebataillons 415 verteilten sie Flugblätter an Wehrdienstleistende, die aus dem Wochenende zurückkehrten. Außerdem blockierten sie kurzzeitig die Tore.

Der 24jährige Klempner Vahl sitzt seit dem 17. Oktober 1991 als erster Westberliner im 180 Kilometer von Berlin entfernten Eggesin in Bundeswehrarrest. Die KriegsdienstgegnerInnen forderten die Freilassung Vahls, der sowohl den Wehrdienst als auch den Ersatzdienst ablehnt. Vahl werde zur »Abschreckung potentieller Nachahmetäter mißbraucht«.

Vahl ist bereits zweimal zu 21 Tagen Arrest verurteilt worden, um seine Entscheidung zur Totalverweigerung zu »überdenken«. Der »Berlinflüchtling« war seinem Einberufungsbescheid zum 1. Juli nicht nachgekommen und dann im Oktober von Feldjägern in Berlin wegen Fahnenflucht festgenommen worden. In der Kaserne verweigerte er sowohl den Einkleidungsbefehl, als auch die Entgegennahme des Wehrsolds. Zur Zeit werde über seine Entlassung aus dem Arrest verhandelt, sagte Vahl der taz. Es sei aber auch möglich, daß ein drittes Mal 21 Tage Haft verhängt würden. Über besondere Härten der Haft berichtete Vahl nur, daß ihm regelmäßig »wehrzersetzende Materialien« abgenommen würden. Etwas unangenehm sei auch, daß er fast täglich befragt werde, ob er denn nun dienen wolle oder nicht. Ansonsten habe er einmal täglich eine Stunde »Ausgang«, das Recht auf eine Tageszeitung und dürfe einmal wöchentlich eine Stunde Besuch empfangen. Eigentlich sei er ganz froh, in einer Ost-Kaserne inhaftiert zu sein: »Hier kann ich wenigstens mal Ostler kennenlernen.«

Ursprünglich war damit gerechnet worden, daß Kai Vahl bereits am Sonntag freigelassen würde. Ohnehin wartet ja noch ein staatsanwaltschaftliches Verfahren auf den Totalverweigerer. Auch der Eggesiner Pastor Udo Wollenberg und Superintendent Jürgen Jehsert aus Ueckermünde haben bereits mit Offizieren über Vahls Entlassung gesprochen. Sie forderten, den jungen Mann möglichst bald freizulassen.

Wie die taz erfuhr, hatte man sich in der Kaserne akribisch mit »Nahkampfübungen« auf die Kundgebung der AntimilitaristInnen vorbereitet. Außerdem waren alle werfbaren Steine von den Arealen an den Toren weggesammelt und zusätzlicher Natodraht ausgerollt worden. Für potentielle Festnahmen war ein Haftraum vorbereitet worden. kotte